Regeln für flüssiges Fahren

420 "Regeln für flüssiges Fahren"

Hinweise für ein „flüssiges Fahren“ durchs Leben

Jeder Führerscheininhaber kennt das. Du bist zur Fahrschule gegangen, du hast die Theorie gelernt, du hast die Praxis gelernt, du hast die Prüfung gemacht. Und gleich anschließend begann das selbstständige Fahren. Dabei hast du dir ein paar Eigenheiten angewöhnt, die das Fahren für dich flüssiger machen, angenehmer, weniger energieaufwendig, aber noch im Rahmen des Regelwerks der Straßenverkehrsordnung. Entsprechend der Metapher des Führerscheins habe ich elf Regeln aus dem mir bekannten Bereich der Regeln in den verschiedenen Ebenen des Selbst herausgesucht, mit denen ich gute Erfahrung gemacht habe, und die das Leben erleichtern.
In diesem Abschnitt kennzeichne ich sie kurz und entfalte die Hintergründe und Erscheinungsformen im nächsten Kapitel.
Im nächsten Kapitel erfolgen Übungsanweisungen zu den gleichen Regeln.Die Regeln für flüssiges Fahren sind ein Extrateil im Lehrgang, denn sie sind durch meine eigenen Erfahrungen bestimmt und deshalb weder vollständig noch repräsentativ.  Aber sicher sind sie für dich interessant, anregend, und auch nachvollziehbar.

Projektionen zurücknehmen.  Hier wird eine wichtige Methode eingeführt, damit du nicht so geladen am Straßenverkehr, oder generell am Leben teilnehmen musst.
Instinkte und Persönlichkeit unterscheiden bereitet dich darauf vor, dass du die Wirksamkeit von Instinkten für den Organismus hinterfragst, bevor du sie auf die Persönlichkeit überträgst.
Bei Leiden vermeiden geht es darum, das im Leben Schmerzen, Beeinträchtigungen bei Anderen oder bei dir wahrgenommen werden als etwas, was passiert, aber das nicht zum Leiden führen muss. Leiden ist ein „extra“, das immer dann einsetzt, wenn du dir selbst Leid tust, also eine Art von Selbstmitleid.
Bei Einsamkeit in Alleinsein wandeln geht es um den persönlichkeitsspezifischen Anteil von Einsamkeit. Es ist der Teil, bei dem du dein Selbstbild nicht mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung bringen kannst. Und du ziehst dich deswegen von der Wirklichkeit zurück.  Der Umgang mit Einsamkeit kann aber auch anders geschehen, mit weniger Leiden.
Wenn du infolge spiritueller Erfahrungen und dem Verweilen in anderen Bewusstseinszuständen meinst, den Kontakt mit anderen zu verlieren, dann unterstützt dich die Regel Alleinsein in So-Sein wandeln darin, die vermeintliche Getrenntheit als Unterschiedenheit wahrzunehmen.
Mitleid in Mitgefühl verändern zielt darauf ab, dass du anderen und dir selbst gegenüber mit Liebe begegnest anstatt mitzuleiden.
Die Regel Grenzen mach dich darauf aufmerksam, dass es noch andere Wege gibt der Welt zu begegnen, als mit Bemühen. Denn Bemühen ist eine der Hauptaktivitäten der Persönlichkeit.
Emotionen entkernen heißt, dass du die Gefühle im Hier und Jetzt wahrnehmen kannst ohne ständig mit deiner ganzen Entwicklungsgeschichte konfrontiert zu sein.
Getrenntheit aufgeben kann dich dazu anregen, die Schalen und Barrieren, die du um dich herum errichtet hast, etwas aufzulösen und dabei verstärkt wahrzunehmen, dass du schon mit allem verbunden bist.
Sein zulassen bedeutet, dass du nicht nur in Ausnahmesituationen Seinserfahrungen wahrnimmst, sondern sie durch zulassen, dich mehr und mehr bestimmen zu lassen. Denn das Sein ist ständig da. Du hast dich nur abgeschottet.
Die letzte Regel finde ich ganz spannend, gerade im Zusammenhang mit dem Führerschein für ein durch das ganze Selbst bestimmte Leben. Wer fährt gerade, mit welchem Selbst bist du verbunden, wenn du am Straßenverkehr, oder am Leben teilnimmst.

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421 Projektionen zurücknehmen

Projektionen zurücknehmen

Projektionen sind abgespaltene Persönlichkeitsanteile, die du bei anderen Menschen wahrnehmen kannst. Sie entstehen schon früh in der Kindheit. Denn in der Kindheit ist das Kind darauf angewiesen, sich in seiner Welt zurechtzufinden und nutzt hierzu alle seine, ihre Mittel. Es probiert zum Erkennen alles aus und verschätzt sich dabei oft in mehrfacher Hinsicht.

Einmal hat das Kind viele Fähigkeiten und Fertigkeiten noch nicht ausgebildet, die zu deren Beherrschen erforderlich sind. Ist die Muskulatur nicht genug entwickelt, dann wird es schwierig, Roller zu fahren oder später Fahrrad zu fahren.
Weiterhin ist das Kind noch mit vielen Seinsqualitäten verbunden z.B. mit der Qualität der Kraft oder Stärke. Daher hat das Kind die Auffassung, es könne alles mit Kraft bewegen obwohl seine körperlichen Fähigkeiten noch nicht weit genug entwickelt sind. Das Kind probiert alles aus und wird dabei häufig von den Bezugspersonen umgeben, die dem Kind einerseits das spiegeln, was das Kind kann, andererseits aber auch das spiegeln, was das Kind noch nicht kann und dies oft auf eine abwertende Weise.
Da das Kind noch in einer zustandsspezifischen Realität lebt, bedeutet die Ablehnung für das Kind oft eine Ablehnung des ganzen Selbst. Das fühlt das Kind als schmerzhaft bis lebensbedrohend.
Das Kind geht mit dieser Situation um, indem es diese Erfahrung von sich abspaltet: „das bin nicht ich“. Ein weiteres Beispiel: Das Kind war ungeschickt und hat den Marmeladentopf runter geworfen. Das führt zu: „das war nicht ich“. Diese abgespaltete Erfahrung, diese abgeschaltete Selbsteinschätzung, dieser abgespaltete Teil des Selbstbildes, bleibt jedoch erhalten. Sie bleibt in der Erinnerung gespeichert, ist nur nicht mehr mit dem Kind verbunden.
Sieht das Kind später in einer ähnlichen Situation oder in einer Situation mit Ähnlichkeiten vom Aussehen bis zum Verhalten erneut eine Ungeschicklichkeit, so wird das Kind vielleicht nicht lachen und es lustig finden. Das Kind wird aufgrund der Abspaltung in der Folgesituation abwertend oder höhnisch reagieren, und dadurch kein Verständnis für die entsprechende Person haben, der diese Ungeschicklichkeit passierte. Es ist ihm nicht möglich den Vorfall bei der anderen Person einfach als Ungeschicklichkeit wahrzunehmen und hinzunehmen und eventuell sogar etwas Mitgefühl folgen zu lassen. Und zudem nimmt das Kind die andere Person in ihrer Ungeschicklichkeit mit einer doppelten Ladung wahr. einmal die faktische: die andere Person war auch ungeschickt und als Zweites: ist da die eigene, verdrängte mit Abwertung verbundene Erfahrung. Diese doppelte Ladung kann dann zu einem höhnischen bis zu einem grausamen Verhalten führen. Denn das Kind hat den Bezug zu seiner eigenen Situation, zu seiner Erfahrung verloren, und reagiert nur emotional, ohne den Hintergrund zu kennen.

Als Erwachsene reagiert man zumeist ebenso wie das kleine Kind. Nur kann man dieses, weil das eigene Verhalten, besser rationalisieren.
Projektionen gehören zum alltäglichen Miteinander. Immer wenn dich etwas beim anderen aufregt, stört, kann eine Projektion mit im Spiel sein. Und du hast dann eine doppelte Ladung, ein Doppelpack in dem Umgang mit dieser anderen Person im Gepäck. Im Englischen gibt es dafür einen passenden Spruch „you spot it, you got it“. Also kann in dem Augenblick, in dem du dich aufregst, eine Projektion im Spiel sein.
Diese Projektion macht dir den Umgang mit dir selbst und den Umgang mit anderen oft schwer.  Daher ist es wichtig sie zurückzunehmen. Zurückzunehmen heißt: du erkennst, dass das eine Projektion von dir ist, die mit im Spiel ist.
Je mehr du erkennst, dass von dem beanstandeten Verhalten, von dem beanstandeten Aussehen des anderen, du auch etwas von dem … hast, desto mehr wirst du dir deiner Projektionen bewusst. Du erkennst, dass das eben nicht nur an dem anderen „liegt“ sondern auch an dir, desto mehr kannst du die Projektionen zurücknehmen. Dann hast du mehr Verständnis für das Verhalten oder für das Aussehen des anderen. Und du brauchst den anderen nicht auch noch mit deiner Vergangenheit zu belasten, sondern kannst den anderen so nehmen, wie der andere, wie die andere, ist.
Es kann dennoch sein, dass dir das Verhalten der anderen Person oder Gruppe unangenehm ist. Nur diesmal „sitzt du mit im gleichen Boot“ und das macht den Umgang etwas einfacher.
Zumeist wirken negative Projektionen, das heißt du projizierst etwas, was bei dir abgelehnt wurde und hast deshalb eine Ablehnende bis feindliche Reaktion dem Anderen gegenüber. Aber es gibt auch noch das Gegenteil der positiven Projektionen. Wenn dich etwas beim anderen anzieht, z.B. etwas im Äußeren oder eine Haltung oder eine Handlungsweise, und dieses für dich zum Vorbild wird.
Oft ist das, was du beim Anderen an positiven Projektionen verortest, z.B. Anmut, ein Teil bei dir, der von den Bezugspersonen in der Kindheit oder auch noch jetzt nicht wahrgenommen, nicht gespiegelt wurde. Deshalb findest du alleine diesen Teil bei dir auch nicht.
Da alle Menschen Projektionen haben, kommt es oft vor, dass du Projektionen auf eine andere Person hast und die andere Person auch Projektionen auf dich.
Ihr seid in einer Projektionspartnerschaft gefangen. Das ist auch dann immer der Fall, wenn ihr verliebt seid.
Meistens aber sind die Projektionspartnerschaften durch negative Projektion bestimmt und dann gilt der Spruch „ich mag dich auch nicht“
Im fünften Kapitel stelle ich dir eine Übung vor, mit der du Projektionen zurücknehmen kannst.

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422 Instinkte und Persönlichkeit unterscheiden

Instinkte und Persönlichkeit unterscheiden

Instinkte und Persönlichkeit zu unterscheiden wird wichtig, weil oft der Überlebensinstinkt des Organismus auf die Persönlichkeit bezogen wird, und der Organismus mit der Persönlichkeit verwechselt wird.
Der Überlebensinstinkt setzt immer dann ein, wenn ein Überleben in Frage gestellt ist und arbeitet mit den Reaktionen Flucht, Kampf oder Erstarren.
Heutzutage treten jedoch viele Situationen auf, in denen du nicht körperlich gefährdet bist, sondern wo es z.B. um dein Ansehen geht, wo es um deine Selbsteinschätzung geht, um dein Selbstbild, oder um dein Idealbild.
Dies ist jedoch heute häufig „nur“ eine Frage der Orientierung innerhalb deiner Persönlichkeit. Deine Persönlichkeit hat diesen Unterschied noch nicht gelernt, sondern interpretiert viele Situationen so, als ob es um Leben und Tod oder körperliche Beeinträchtigung geht.

Wenn ich heute noch jede Beeinträchtigung der Persönlichkeit über den Instinkt, über den Selbsterhaltungstrieb bewerte, dann komme ich in Situationen, in denen mir z.B. das Geld ausgeht, oder ich konnte ein Gewinn nicht realisieren, und dies als Sache von Leben und Tod betrachte.
Ich hätte mir stattdessen auch sagen können „das ist einen Versuch wert gewesen, hat aber nicht funktioniert, und ich werde trotzdem weiter existieren“.

Viele Aspekte in denen es um die Persönlichkeitseigenschaft „Geiz“ geht, belegen diese Verschmelzung. Und sie geht auch anders herum. Es verhungern Menschen, weil sie sie ihren Geiz nicht mit dem Überlebensinstinkt verbinden. Dies ist jedoch ein Thema der Psychotherapie.

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423 Leiden vermeiden

423 Leiden vermeiden

Im Buddhismus wird darauf hingewiesen, dass das Leben durch Leiden bestimmt ist. Was ist Leiden? Hier meine Interpretation durch ein Beispiel.
Ich sitze beim Zahnarzt und es tut weh, es wird gespritzt, es wird manipuliert. Ich erhalte die Information, dass vielleicht ein Zahn gezogen werden muss, also dauerhaft verloren geht. Bei diesen Informationen geht es einerseits um die körperlichen Schmerzen, um die Unbequemlichkeit im Zahnarztstuhl, andererseits um mein Selbstbild. Ich werde vermutlich bald eine Person sein, die mit einem Zahn weniger durch die Welt gehen muss. Ich bin eine Person, die gerade Schmerzen erlebt, an der manipuliert wird. Und das passiert mir gerade, das gehört leider mit zu meinem Leben.

Die Persönlichkeit enthält ein Selbstbild, eine Vorstellung, die wir gebildet haben anhand der Erfahrungen darüber, was uns im Leben so passiert ist. Die Erlebnisse im Zahnarztstuhl, die erforderliche Änderung des Selbstbildes „ein Zahn wird fehlen“ wird dann zum Leiden, wenn ich das auf die Persönlichkeit, auf mein Selbstbild, vielleicht auch auf mein Idealbild beziehe. Ich bin nicht mehr das, was ich einmal war. Nur, das ist jeden Augenblick im Leben so. Deshalb führt das Leiden immer zu einer Veränderung des Selbstbildes in der Persönlichkeit. Im Außen gibt es im obigen Beispiel Unbequemlichkeiten, und das Gefühl manipuliert zu werden. Diese Unbequemlichkeiten, diese Schmerzen und diese Gefühle kann ich nicht immer vermeiden. Dass ich diese Gefühle darüber hinaus auf meine Persönlichkeit, auf mein Selbstbild beziehe, das kann ich jedoch vermeiden.

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423a Einsamkeit in Alleinsein wandeln

Einsamkeit gilt heute als soziale Krankheit und hat viele Ursachen, von denen ich nur die heranziehen möchte, die für das Lernprojekt wichtig sind. Zunächst sind wir als Menschen Gruppenwesen. Wir sind darauf angewiesen, dass wir mit anderen kommunizieren und interagieren, uns austauschen und gespiegelt werden. Damit bestätigen wir uns als menschliche Wesen. Das ist ganz wichtig für den Erhalt der psychischen Gesundheit auf der Ebene der Persönlichkeit. Auch wenn die Spiegelung auf äußere und nicht auf innere Werte beruht, ist sie denn noch sehr wichtig.
Durch die heutige sich im Gegensatz zu früher schnell verändernde Lebensweise sind immer weniger Menschen in einer Großfamilie integriert. Dort waren sie zwar einerseits dem Gruppendruck ausgesetzt, andererseits waren sie aber auch ständig in Interaktion und Kommunikation. Heute leben mehr und mehr Menschen allein und müssen daher versuchen, die genannten Aspekte von Gruppenleben, die sie sonst in einer Großfamilie erfahren hätten, durch Bekanntschaften, äußere Aktivitäten, Hobbies und so weiter auszugleichen. Mit zunehmendem Druck, mit zunehmendem Altem und auch bei Eintritt von Altersarmut gelingt dies Menschen immer weniger. Sie „trocknen aus“ und müssten die vielfältigen Angebote zum geselligen Beisammensein nutzen oder sich sinnvoll im Ehrenamt engagieren.  Gelingt ihnen das nicht, brauchen Sie Unterstützung im Rahmen von Gemeinwesenarbeit.
Angebote wie dieses Projekt zur Bewusstseinsentwicklung werden in diesem Zusammenhang selten angenommen werden können. Denn die Sehnsucht nach Veränderung steht nicht im Vordergrund, sondern die Behebung von Not.

Ein weiterer Bereich, in dem sich Einsamkeit entwickeln kann entsteht dann, wenn der Umgang mit sich selbst nicht ausreichend ist. So können etwa Projektionen nicht zurückgenommen werden und „die da draußen“ verlieren immer mehr an Wert und werden nicht mehr als Ressourcen wahrgenommen.

Ein dritter Bereich des Entstehens von Einsamkeit ist, wenn das innere Selbstbild der Persönlichkeit, vielleicht auch das Idealbild der Persönlichkeit oder die Glaubenssysteme so wichtig genommen werden, ihnen so viel Wert zugeschrieben wird, dass der Kontakt mit anderen immer weniger wird. Dieser Prozess hat eine systemische Struktur, er ist ein Teufelskreis negativer Vorannahmen, führt zu verringertem Kontakt und das wiederum vergrößert die negativen Vorannahmen.

Im Kontakt mit dem Körperselbst, mit dem Leib, mit der ungeformten Seele, die noch flüssig ist, also mit der Person, tritt die Befindlichkeit der Einsamkeit nicht auf.
Auch im Sein gibt es keine Einsamkeit. Je flüssiger der Wechsel von Bewusstseinszuständen möglich wird, desto weniger ist ein Rückzug in die Einsamkeit im Bewusstseinszustand der Persönlichkeit möglich. In dieser Hinsicht gehört zu den Regeln für flüssiges Fahren „Einsamkeit in Alleinsein wandeln“.

Nun noch einige Bemerkungen zum Zustand des Alleinseins. Jeder Mensch wird sich im Laufe des Lebens, besonders wenn das Leben zu Ende geht, damit konfrontieren müssen, dass es ein existenzielles Alleinsein gibt. Durch Liebe und Hingabe wird zwar das existenzielle Alleinsein auch wahrnehmbar, aber es verliert auch an Bedeutung. Die im Zustand der Persönlichkeit erfahrbare Verbindung von allein sein und Getrenntheit wird aufgehoben. Ich bin zwar allein, aber nicht getrennt.
Bedingt durch die frühen Anforderungen der Sozialisation ist im Zustand der Persönlichkeit allein sein und getrennt sein mit einer Abgetrenntheit vom Sein verbunden. Wenn ein Kind bestraft wird ist es oft zeitweilig beides: bestraft und allein oder getrennt. Dies ist ein häufig schmerzhafter und trostloser Prozess. Daher ist das Alleinsein im Bereich der Persönlichkeit oft zwar nicht so schmerzhaft wie das Einsam sein, aber dennoch auch ein ungeliebter Zustand.

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423b Alleinsein in So-Sein wandeln

Zunächst einmal ist „allein sein“ im Bereich der Persönlichkeit als Realität anzuerkennen. Du bist allein, aus welchen Gründen auch immer und du hast Möglichkeiten zur Geselligkeit, die du annehmen kannst. Ob du sie eingehen willst, ist noch etwas anderes. Du hast Möglichkeiten zur Zweisamkeit, du kannst eine Partnerschaft eingehen und du kannst dir erfüllende Aktivitäten suchen mit anderen oder alleine.
Oft wird es so sein, dass du Alleinsein als Mangel erlebst. Was fehlt dir? Anerkennung von außen, erfüllende Aktivitäten, Anerkennung von innen, vielleicht auch durch den inneren Kritiker? Vielleicht erlaubt dein Selbstbild kein Alleinsein? Vielleicht erlaubt dein Idealbild kein Alleinsein?

Zugänge zur Wandlung
Und wenn du das Alleinsein als Realität anerkannt hast, nicht verdrängt, nicht verschoben hast, ergibt sich die Möglichkeit der Wandlung des Alleinseins, des Alleinsein als Mangel, in ein „So-Sein“. Du gehst nach innen, etwa in den Kraftpunkt, in den Kraftraum, in den Leib. Du wirst dir deines Selbst als Person bewusst. Du lässt eine Veränderung deines Bewusstseinszustandes zu. Und dann ist das Alleinsein kein Mangel mehr, dann bist du so, in welchem Bewusstseinszustand, mit welcher Qualität auch immer. Und so wie du bist, ist das dein So-Sein.  Nimm dein So-Sein an. Vielleicht ist es ein erfülltes Alleinsein. Vielleicht ist es aber auch ein neutrales Alleinsein, wie auch immer. Aber wenn du nach Innen gegangen bist, ist kein Mangel mehr da, du bist nicht mehr mit Mangel verbunden.

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424 Mitleid in Mitgefühl verändern

Mitleid in Mitgefühl verändern

Mitleid beginnt in der frühen Kindheit mit Mitleid mit sich selbst und mit den nahen Bezugspersonen. Mitleid ist ein Gefühl, keine Seinsqualität und eng an der Persönlichkeit orientiert. Das kleine Kind leidet darunter, dass es von den Bezugspersonen nicht so wahrgenommen wird, wie es sich selbst wahrnimmt. Und dies ist aus verschiedenen Gründen leicht möglich. Das Kind funktioniert nicht so, wie es nach den Vorstellungen der Bezugsperson funktionieren sollte. Diese sind z.B. oft nicht in der Lage das Kind wahrzunehmen, wenn es Zugang zu Seinsqualitäten hat. Weiterhin sind sie oft nicht in der Lage das Kind angemessen zu spiegeln. Darunter leidet das Kind.
Zugleich ist das Kind ganz nahe an allen seinen Bezugspersonen und an seiner Umwelt. Wenn es den Eltern schlecht geht, leidet das Kind mit.
Ebenfalls leidet das Kind, wenn ihm etwas passiert, wenn Schmerzen und Beeinträchtigungen da sind. Es leidet aber nur dann und nur so lange, bis es getröstet wird. Ist der Akt des Tröstens erfolgreich, dann nimmt das Kind Beeinträchtigungen hin, akzeptiert Schmerzen und geht höchst selten über in Selbstmitleid. Denn das Selbstmitleid wird in unserer Gesellschaft meistens negativ gespiegelt.
Also Mitleid kommt immer mit äußeren oder inneren Umständen zusammen vor und nur dann, wenn ein Reflex auf die Persönlichkeit, und hier auf das Selbst- oder Idealbild vorkommt.

Mitgefühl hingegen ist eine Seinsqualität über die alle Menschen von früher Kindheit her verfügen, auch wenn es oft verschüttet ist. Mitgefühl kommt aus dem Herzen und ist eine Form von Liebe. Im Bewusstseinszustand des Mitgefühls gibt es bei dir kein Leiden.
Eine Hinführung und Bewusstwerdung von Mitleid zu Mitgefühl wird als Übung im Kapitel fünf dargestellt.

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425 Bemühen begrenzen

Bemühen begrenzen

Die Persönlichkeit als Steuerungsinstrument unseres Selbst ist ein Notfallinstrument. Sie wurde im Entwicklungsprozess des Kleinkindes, also mit den Möglichkeiten der kleinkindlichen Psyche aufgebaut, durch Hineinnehmen der Regeln und Ermunterung der Bezugsperson, besonders der Mutter, um sich auch allein die Welt zu erschließen.
Die Persönlichkeit ist an einem Bemühen orientiert. Ein Weg zu erkennen, dass du im Bewusstseinszustand der Persönlichkeit bist, ist, dass du einen Wunsch, ein Bedürfnis spürst, etwas zu erreichen, etwas zu machen, etwas herzustellen, was auch immer. Das heißt, dass zunächst nichts zu uns kommt, sondern dass wir etwas machen wollen. Dies ist eine Befangenheit, ein Muster, eine Gewohnheit. Das Bemühen ist so alltäglich, dass es uns nicht mehr bewusst ist. In der Konsequenz bedeutet das, dass zunächst einmal nichts zu uns kommt, auf dass wir antworten, sondern dass wir etwas machen wollen, dass wir etwas erreichen wollen. Wir wollen uns vielleicht einen Partner suchen, oder einen Job, Kinder erziehen, oder was auch immer. Es gibt immer etwas, was von unserer Persönlichkeit auf Objekte gerichtet ist. Und das ist immer ein Bemühen.

Wenn du im Bewusstseinszustand der ungeformten Seele bist, dann hört das mit dem Bemühen auf, die Phänomene, die Erscheinungen kommen zu dir. Das Bemühen als Struktur der Persönlichkeit ist in der äußeren Welt oft erforderlich. Ohne nach links oder rechts zu gucken, kommst du wahrscheinlich nicht heil über eine dicht befahrene Straße.
Das gleiche Bemühen, was dir im Bewusstseinszustand der Persönlichkeit hilft, ist aber beim Wechsel von einem Zustand zum anderen, ist im Wahrnehmen des ganzen Selbst hinderlich. Je mehr du dich bemühst, desto weniger kann es dir gelingen.

Deshalb braucht es bei den Regeln für flüssiges Fahren eine Begrenzung des Bemühens. Du kannst lernen wahrzunehmen ob dein Bemühen aktiv ist. Und du kann dich in diesen Augenblicken fragen, brauche ich wirklich das Bemühen, brauche ich es durch meine Persönlichkeit gesteuert zu werden oder willst du dich zu etwas anderem öffnen?  Immer wenn du achtsam bist, wenn du darauf achtest, was zu dir kommt, was sich ergibt, was sich gerade im Prozess ergibt, bist du nicht von vornherein auf ein Bemühen oder auf ein Bewirken eingestellt. Dann achtest du auf die Wirkung dessen, was geschieht. Im Übungsteil in Kapitel 5 wird deutlicher darauf eingegangen, wie das Bemühen begrenzt werden kann.

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426 Emotionen "entkernen"

426 Emotionen „entkernen“

Das „entkernen“ darf ruhig in Anführungszeichen gedacht und empfunden werden, denn es ist eine Metapher.
Es geht um folgendes. Ich hatte schon bei den Emotionen herausgestellt, dass Emotionen Gefühle sind, die mit den bisherigen Erfahrungen verknüpft sind. Das heißt: jede Emotion besteht aus einem Minimum Gefühl für die augenblickliche Situation und einer Menge Erinnerungen, die bis an die frühe Kindheit zurückreichen. Dadurch ist der Wert des Gefühls als Orientierung des Organismus in der Welt eingeschränkt. Das Gefühl kann sich gar nicht ganz auf die jetzige Situation beziehen und wird selbst dann, wenn es sich auf sie bezieht, sofort überlagert durch die ganze Vergangenheit, bis hin zu einer emotionalen Entführung.
Wenn du ganz genau hin spürst, kannst du merken, wie das Gefühl von der Emotion überlagert wird. Im schon verwendeten Beispiel der Begegnung mit einem Hund kann das deutlich werden. Du gehst auch als Erwachsener um eine Ecke und triffst auf einen Hund, der sich genauso wie du erschreckst. Bei dir ist das Gefühl des Erschreckens. Kurz darauf kommt die Erinnerung der Emotion. Damals hattest du neben dem Erschrecken Angst. Jetzt als Erwachsener kannst du beim Gefühl des Erschreckens bleiben und du brauchst nicht ängstlich zu sein. In dieser Hinsicht ist jede Emotion eine emotionale Entführung.

Damit du etwas flüssiger fahren kannst, und damit du dich auf die Gefühle, die du jetzt gerade spürst wie z.B. Angst, Zuversicht oder auch Hilflosigkeit einlassen kannst, damit du diese Gefühle voll nutzen kannst für deine Orientierung ist es erforderlich, das aktuelle Gefühl, den „Gefühlskern“ (ebenfalls eine Metapher) stärker und bewusst anzunehmen. Was um den Kern herum als „Fruchtfleisch“ (Metapher) sonst noch alles aus früheren Situationen dran sein kann, gehört zu früheren Situationen, ist vielleicht in der jetzigen Situation nicht so bedeutungsvoll.
Du kannst dich jetzt fragen: was fühle ich jetzt gerade und wohin werde ich jetzt gerade entführt.

Beispiel:  Bei Kontakten mit Menschen gegenteiligen Geschlechtes oder des gleichen Geschlechtes, je nach Orientierung, kann das ganz deutlich werden.
Du siehst eine Person, die anziehend auf dich ist, du kennst sie bisher gar nicht, du spürst die Anziehung, vielleicht auch eine Sehnsucht. Und das, woran du dich orientierst, was dir bewusst wird, sind all deine vorherigen Begegnungen mit Menschen, die ähnliche Merkmale haben. Du orientierst dich etwa daran, wie eine Tante zu dir gewesen ist, als du vier oder fünf Jahre alt warst. Und von dieser Tante siehst du noch ganz viel in einem dir unbekannten Menschen und überträgt es damit auf sie oder auf ihn. Du benutzt die Übertragung aus der Vergangenheit anstatt im Hier und Jetzt zu spüren: „aha“ da gibt es eine Sehnsucht, da gibt es Anziehung, Freundlichkeit oder was du jetzt genau in diesem Moment wahrnimmst.

Emotionen „entkernen“ heißt, dass du dich im Hier und Jetzt orientierst und nicht an der ganzen Vergangenheit, an deiner langen Geschichte, die dir ebenfalls mit deinen Emotionen ständig nahegebracht wird. Emotionen im Gegensatz zu Gefühlen unterstützen dich. Vielleicht magst du aber auch manchmal direkt in der Situation sein, das Gefühl als Kern genauer wahrzunehmen und das für die gegenwärtige Situation verwenden.

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427 Getrenntheit aufgeben

Getrenntheit aufgeben

Zum Bewusstseinszustand der Persönlichkeit gehört oft auch, dass du dich getrennt von allen anderem fühlst, z. B. auch getrennt von deinem Körper. Irgendwo ist trotzdem ein „ich“, wahrscheinlich eher im Kopf, und dieses „ich“ hat verhältnismäßig wenig mit deinem Körper zu tun, ist auch deutlich unterschieden von anderen Menschen, und von der äußeren Welt.
Du nimmst dich vermutlich als getrennt wahr von allem anderen, dass du nicht deinem Selbst der Persönlichkeit gerade zuordnen kannst. Doch dies trifft nicht zu.
Beispiel: Wenn du Schauspieler siehst, die in alle möglichen Rollen hineinkommen, alle möglichen Persönlichkeiten darstellen können, dann kann dir deutlich werden, dass diese Trennung vielleicht nicht so absolut ist, wie du es dir selbst vorstellst.

Die Trennung entsteht zunächst einmal, dass du ein Selbstbild hast, in dem du getrennt bist. Vielleicht ist es dir aber schon mal passiert, dass du merkst, dass du im Grunde genommen alles sein kannst, jeweils in deiner besonderen individuellen Ausformung. Du kannst Kaiser sein, du kannst Diktator sein, du kannst liebevoller Familienvater sein, vielleicht auch ein Mörder sein. Du traust dir vielleicht auch fast alles zu sein zu. Das steckt in dir drin, ist dein persönlicher, privater Raum der Entfaltung.
Die Einsicht, das alles in dir steckt, kann auch zur Folge haben, dass die Vorstellung vom Getrennt sein für dich nicht ganz realistisch ist.
Je mehr du die Getrenntheit aufgibst, desto flüssiger kannst du fahren. Es gibt ja auch die Getrenntheit, dass wir meinen, da draußen ist die reine, von dir unabhängige Natur. Aber schon durch den Atem erfahren wir, dass wir mit allem verbunden sind. Und je mehr die Getrenntheit aufgeweicht wird, desto flüssiger kannst du dich im Verkehr bewegen. Auch hierfür gibt es Trainingseinheiten im Kapitel 5.

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428 Sein zulassen

Sein zulassen

Das Sein ist ein von der Persönlichkeit deutlich unterscheidbarer Bewusstseinszustand. Er gehört aber genauso zum möglichen Erfahrungsfeld aller Menschen wie der Zustand der Persönlichkeit, so dass der Zugang zum Sein auch dir grundsätzlich möglich ist. Die Übung heißt nicht umsonst „Sein zulassen“. Denn das Sein ist immer da. Durch die Wahrnehmungsgewohnheit der Getrenntheit kommst du häufig nicht auf die Idee, dich dem Sein gegenüber zu öffnen.
Manchmal wirst du direkt ins Sein entführt, was als Akt der Gnade eingeschätzt werden kann.

Beispiele hierfür: wenn du in den dunklen Sternenhimmel schaust und von der Unendlichkeit erfasst wirst, wenn du einem kleinen Kind in die Augen schaust, dass dich aus einer Tiefe anschaut, die dich ins Sein hineinsaugen kann. Dann passiert es dir, dass du ohne Absicht mit dem Sein verbunden bist, weil das das vorher nicht zugelassene zu dir gekommen ist.

Du kannst aber auch Zugangsweisen lernen, wie du das Sein zulässt, genauer, wie du die Wahrnehmung des Seins zulässt.  Möglichkeiten dazu: wenn du deinen Kraftraum betrittst, dann den Kraftpunkt betrittst, und deinen Leib mit dem Energiefeld wahrnimmst.
Du kannst auch im Alltag unbeabsichtigt, aber jetzt nicht mehr unbemerkt, Seinskontakt durch Seinsqualitäten haben. Beispiele: du wirst plötzlich präsent. Präsenz ist das auch schon eine Form von Sein. Du merkst, wie das Körperbild verschwimmt, sich eine Grenzenlosigkeit einstellt oder du jemanden anschaust und in dir spürst, wie Liebe sich entwickelt. Dadurch wirst du auch in den Seinszustand hingeleitet. Mitgefühl ist auch eine Seinsqualität. Beim Spüren von Mitgefühl lässt du Seinserfahrung zu.
Du brauchst die Öffnung zum Sein, wenn du in eine andere Bewusstseinsstruktur wechseln willst. Auch hierzu gibt es eine Übung im Kapitel 5.

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429 Wer fährt gerade?

429 „Wer fährt gerade“?

Auf die Frage „wer fährt gerade“ könnte die Antwort lauten „ich“. Die nächste Frage ist „welches ich“?

Im „Lernprogramm für ein durch das ganze Selbst bestimmtes Leben“ wurde in sechs verschiedene Selbst eingeführt, wobei das Selbst des Körpers als Organismus bisher nur begrenzt bewusstseinsfähig ist. Die Frage „wer fährt“ könnte auch so verstanden werden, welches Selbst ist „gerade am Steuer“.

Ich stelle die unterschiedlichen Selbst im Folgenden vor.

Beim Selbst als Körperbild bist du verbunden mit dem, was du von deinen inneren Prozessen wahrnimmst, und mit dem, was du durch deine Sinne, hier sind die äußeren Sinne gemeint, wahrnimmst. Du spürst dich und verfügst schon über viele Reaktionen. Wenn du im Auto sitzt könntest du das Auto fahren, Verkehrssituationen wahrnehmen und einschätzen, ohne die Persönlichkeit mit den Strukturen des inneren Kritikers zur Hilfe zu nehmen. Manchmal, wenn du müde bist und im „Tran“ bist, dann fährt der Körper.

Wenn du im Bewusstseinszustand des Leibes bist, dann wirst du wahrscheinlich eher in den Zustand der Person wechseln und das Fahrzeug mit Präsenz fahren wollen. Das heißt du bist dir bewusst, dass du bewusst bist, deine Sinne arbeiten vorzüglich, dein Zugang zu deinen Fähigkeiten und Fertigkeiten wächst dir zu und du fährst leicht und zugleich präzise.

Wenn du im Bewusstseinszustand der Persönlichkeit fährst, gibt es häufig ein hin und her zwischen der Aufmerksamkeit auf das Fahren, sowie ein Wechseln in Rückblenden in die Vergangenheit, und Projektionen und Fantasien in die Zukunft, zudem noch Abarbeiten von Problemen. Du bist also eine Zeit lang direkt auf das Fahren konzentriert, hast das Fahren im Vordergrund, bist aber sehr oft mit anderen Sachen beschäftigt.

Im Bewusstseinszustand der Person fährst du mit Präsenz, entspannt und mit geringstem Energieaufwand. Warum? Du nutzt unter anderem deinen Willen. Du orientierst dich an dem, was sich in dir und außerhalb von dir entwickelt. Die Steuerungsmechanismen der Persönlichkeit sind entweder weit im Hintergrund oder zeitweilig gar nicht mehr zu spüren.

Wenn das Sein „am Steuer ist“, das heißt, wenn du im grenzenlosen Bereich des Seins bist, fährst „du“ gar nicht mehr, weil es dich gar nicht gibt. Du nutzt praktisch ein selbstfahrendes Auto. Und du kommst dennoch dorthin, wo es dich hinzieht.

Mit dem Lernprogramm kannst du lernen, dir bewusst zu werden, wer gerade fährt.

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