Umgang mit Konditionierungen

510 Umgang mit Konditionierungen

Umgang mit Konditionierungen

In meinem Modell des Bewusstseins als Bewusstseinstaub sind Konditionierungen so etwas wie Spuren, die auf beiden Seiten von einem Grad, von einer Kante umfasst sind. Wenn du mit dem Fahrrad fährst, dann kann es vielleicht sein, dass dein Rad in die Spur gerät und du dieser Spur folgen musst oder besondere Anstrengungen unternimmst, um aus dieser wieder herauszukommen. Soweit das Beispiel.
Dein Leben ist durchfurcht von Konditionierungen. Denn du lernst so, dass zu einer bestimmten Erfahrung die nächste ähnliche Erfahrung hinzugezählt wird und dadurch die erste Erfahrung verstärkt. Dadurch kommt es zu Gewohnheiten denn Konditionierungen werden zu Gewohnheiten. Diese haben auch eine Reihe von Vorteilen: wenn du z.B. auf einer gewohnten Strecke nach Hause fährst, bist du durch die Konditionierung, durch die Gewohnheit geleitet, und die meisten Konditionierungen sind hilfreich für tägliche sich wiederholende Situationen. Sie machen das Leben einfacher. Aber sie engen das Leben auch ein.

Wenn du jedoch das ganze Selbst zur Bestimmung, zur Strukturierung deines Lebens nutzen willst, dann ist es sinnvoll, nicht allen Konditionierungen folgen zu müssen.
Ich habe in diesem Abschnitt den inneren Kritiker behandelt, die Instanz in dir, die für Konditionierungen verantwortlich ist und bei dem Prozess der Entwicklung vieler Konditionierungen wirksam ist. Weiterhin werden die Emotionen hinsichtlich ihrer Konditionierung und hinsichtlich ihrer Hilfen für den Umgang mit dem ganzen Selbst bzw. den Einschränkungen dabei herausgestellt. Dann behandle ich die Grenzen, die du ziehen solltest hinsichtlich deiner Konditionierung, die Psychodynamik die dich oft dorthin führt, wo du vielleicht gar nicht hin willst und dich oft vom Weg abbringen kann. Zum Schluss werden die Persönlichkeitsmuster behandelt, das heißt die Gewohnheiten, die du für dich selbst hältst, und die dich im ganzen Selbst öfters behindern als fördern.

Audio:
MINDMAP:

5.1.0. Umgang mit Konditionierungen

511 Umgang mit dem inneren Kritiker

511 Der innere Kritiker

Der innere Kritiker, auch innerer Richter oder Über-Ich genannt, ist eine mächtige Struktur der Persönlichkeit und wird von vielen fälschlicherweise als das „Ich“ betrachtet. Der innere Kritiker kann so sehr du selbst sein, dass du ihn gar nicht als eine Struktur wahrnimmst. Daher einige Worte der Vorbereitung.

 Prinzipien für den Umgang

Entscheide dich, für dich selbst einzustehen: das bedeutet für die Teile von dir, die der innere Kritiker als nicht zu dir gehörend einschätzt.  Entscheide dich einzustehen für das, wo du hinwillst, für das, was du erreichen willst, zum Beispiel: dich durch das ganze Selbst bestimmen zu lassen, und nicht durch den minimalen Teil von dir: durch die Persönlichkeit. Beachte dabei, der innere Kritiker ist im Bestimmen von dir höchst erfolgreich.
Unterschätze den inneren Kritiker nie!
Wenn du mit dem inneren Kritiker arbeitest, dann sollten deine Entgegnungen kurz, direkt und endgültig sein. Mit dem inneren Kritiker zu diskutieren ist vergebene Liebesmühe, denn er hat Zugang zu deinem Verstand und ist dir immer überlegen. Also: inhaltliche Diskussionen vermeiden.

Mit den dir hier zur Verfügung gestellt Methoden gehe mit dem inneren Kritiker situativ und flexibel um. Denn der innere Kritiker ist ein Teil von dir der übermächtig geworden ist. Er ist in der Metapher ein Navy, das längst ein Update erfordert und dieses stellst du jetzt zur Nutzung bereit.
Genug der Vorrede.
In den folgenden Abschnitte gebe ich Umgangsweisen an:
- den Königsweg: den Bewusstseinszustand ändern
- der Umgang mit Kritiken, wenn der innere Kritiker dich wirklich runter macht, beschämt, beleidigt.
- Umgangsweisen mit Lob und Anerkennung und
- das „Entkernen“ seiner Anforderungen. Das gelingt dir, indem du die inhaltlichen Hinweise in Form und Bewertung trennst, die Form zurückweist und den Inhalt überprüfst und gegebenenfalls annimmst.

AUDIO:

511a Übung: der Königsweg im Umgang mit dem inneren Kritiker

Dieser Königsweg besteht darin, deinen Bewusstseinszustand zu ändern (522). Denn der innere Kritiker ist als Struktur der Persönlichkeit nur im Bewusstseinszustand der Persönlichkeit wirksam. Dieser Weg ist gleichzeitig auch der voraussetzungsreichste. Du wirst vermutlich mit anderen Wegen beginnen.

Als alternative Bewusstseinszustände hast du Zugang zur Person, das heißt zur ungeformten Seele, zum Sein und zum Leib. Hierzu ist Voraussetzung, dass du in der Lage bist, deinen inneren Kraftraum (532) oder den inneren Kraftpunkt (533) zu nutzen oder dass du über andere Wege in der Lage bist, in den Leib, ins Sein zu gelangen.

Übe:
Du nimmst eine Attacke deines inneren Kritikers wahr und entscheidest dich je nach Situation, wie du aus dem Bewusstseinszustand der Persönlichkeit heraus gehst.

in die Person:
Nimm deinen Atem wahr. Lass den Atem bis in den Bauchraum hineinwirken, lass den Kraftraum entstehen, den Kraftpunkt. Wende dich aus dem Bewusstseinszustand der Person der Botschaft des inneren Kritikers zu. Du wirst merken, dass die Form der Botschaft des inneren Kritikers, das heißt der Angriff auf die Persönlichkeit, für dich zur Zeit nicht oder nur unwesentlich spürbar ist. Du wirst merken, dass du die inhaltliche Botschaft des inneren Kritikers wahrnehmen kannst. Du entscheidest ob du sie annimmst ob du sie verwirfst oder ob du sie veränderst.

In das Sein:
Du nimmst z.B. deine Umwelt wahr, da, wo du dich gerade befindest und konzentrierst deine Aufmerksamkeit auf das, was immer da ist, nicht auf den Inhalt, nicht auf die Erscheinungen, die sich wandeln, die entstehen und vergehen.
Du spürst in die Qualität des Seins hinein, lässt dich von ihr erfassen, vielleicht so weit, dass du selbst das Sein wirst. Doch die Wahrnehmung des Seins selber kann schon ausreichen. Und in der Verbundenheit mit dem Sein nimmst du noch einmal Kontakt auf mit der Botschaft des inneren Kritikers. Erneut wirst du merken, dass die Form der Botschaft des inneren Kritikers überhaupt nicht mehr erscheint und du dich dem Inhalt der Botschaft, dem Inhalt der Attacke des inneren Kritikers zuwenden kannst, diese annimmst, verwirfst, oder veränderst.

In den Leib hinein:
Du gehst in deiner Wahrnehmung nach innen (502d). Du nimmst den Innenraum wahr, was dort erscheint und spürst in deinen Körper als Ganzes hinein, damit du das Feld, welches um ihn herum existiert, wahrnimmst. Du nimmst eine Gleichzeitigkeit wahr von Körperbild und umgebenden Feld. Damit bist du mit dem Leib verbunden, und aus der Verbundenheit mit dem Leib heraus erinnerst du dich an die Attacke des inneren Kritikers. Du nimmst wahr, dass die Form gar nicht auftaucht oder als ganz unerheblich im Hintergrund ist, du wendest dich dem Inhalt zu, lehnst ihn ab oder wandelst ihn.

Diese drei Aspekte des Königswegs sind voraussetzungsvoll. Du brauchst Übung mit den Zugängen. Und auch wenn du die gelernt hast, wird diese Übung erst dann erfolgreich, wenn du sie vielfach übst, wahrnimmst was funktioniert, und wenn es noch hakt weiter übst.

AUDIO:

511b Übungen zu Umgangsweisen mit dem inneren Kritiker

Hiermit sind besonders die Umgangsweisen mit abwertenden, beschämenden, herabmindernden, quälenden, also insgesamt negativen Kritiken des inneren Kritikers gemeint.
Ich biete hier 13 Umgangsweisen an, die alle gleichwertig sind, und die situativ und flexibel eingesetzt werden können zur Abwehr negativer Kritik.

Hinweise:
Du wirst deine Lieblingsabwehren entdecken, das heißt diejenigen, welche schon öfters mal funktioniert haben. Doch der innere Kritiker ist auch lernfähig. Deshalb brauchst du Zugriff zu allen Methoden. Du weißt nie im vornherein, welche funktionieren. Wenn du eine besonders quälende Kritik erfährst, probiere solange die Methoden aus, bis eine funktioniert.
Meine Erfahrung in all den Jahren im Umgang mit dem inneren Kritiker zeigt, dass eine Methode von den 13 Umgangsweisen immer erfolgreich ist. Du weißt nur vorher nicht, welche das ist.
Eine Regel: argumentiere nicht mit dem inneren Kritiker. Der innere Kritiker ist Argumenten gegenüber nicht zugänglich.
Woran merkst du, dass du Erfolg hast?
Einmal daran, dass der Kritiker still ist
und dann, dass du wieder die Energie in dir spürst, die der Kritiker dir weggenommen hat.

Da das, was an Negativem durch den inneren Kritiker ausgedrückt wird, nur ganz selten etwas mit dem Inhalt zu tun hat, sondern hauptsächlich mit der Form, in der der innere Kritiker dich kritisiert, weißt du dass du kämpfen musst, dich auseinandersetzen mit den vorgestellten unterschiedlichen Methoden.
Dieser Kampf wird am besten, laut ausgefochten, wenn es die Situation erlaubt.

Umgangsweise: Aggression

Der innere Kritiker z.B. sagt: „stell dich nicht so dumm an“ ist das eine gemeine Abwertung und du kannst Aggression dagegensetzen. Du sagst z.B. „Halts Maul“ oder was dir gerade in diesem Augenblick einfällt.

Umgangsweise: Entrüstung

Du sagst z.B. „wie kannst du es wagen, mich als dumm zu bezeichnen“. Wichtig ist, dass du in der Situation deinen eigenen Ausdruck findest, ohne lang zu überlegen. Und du musst in diesem Augenblick die Entrüstung wirklich spüren. Nicht nur so tun. Denn der innere Kritiker ist ein Teil von dir, der eine bloße Technik sofort durchschaut.

Umgangsweise: Anerkenntnis

Eine weitere Umgangsweise ist die Anerkenntnis. Dann nimmst du z.B. den Inhalt der Botschaft wahr, dass da was dumm gelaufen ist.  Du hast dich vielleicht in einer Situation behauptet, ohne wirklich deine Fähigkeiten einzubringen. Und das kann etwas mit Dummheit zu tun haben. Dann sagst du so etwas wie „stimmt“.  Und jetzt kannst du die Methoden kombinieren. Du wehrst dich gegen die Form der Botschaft z.B. mit Aggression und anerkennst die des Inhalts. Z.B. „Es stimmt, dass ich nicht alles gegeben habe ´- und trotzdem: Halts Maul, nicht in diesem Ton mit mir“.

Umgangsweise: Humor

Eine weitere Umgangsweise ist der Humor. Humor ist eine Seinsqualität und eine Seinsqualität schlägt den auf der Persönlichkeitsebene beheimateten Kritiker immer. In diesem Fall z.B. kannst du sagen: „ja, ich habe erst geübt, das nächste Mal mache ich es besser“. Oder was dir auch immer einfällt.

Umgangsweise: Aussage akzeptieren, Bewertung nicht

Eine weitere Umgangsweise wurde eben schon durch die Kombination von Methoden eingeführt: die Aussage akzeptieren, die Bewertung jedoch nicht. In diesem Beispiel: „ich habe nicht alle meine Fähigkeiten genutzt, aber zu sagen, dass ich etwas dumm gemacht habe, das ist falsch, das weise ich zurück“.

Umgangsweise: Einwandbegegnung

Die Methode der Einwandbegegnung kennst du vielleicht aus dem Verkäufertraining. Du hebst erst mal das hervor, was an Kritik kommt und formulierst anschließend den Einwand. In diesem Beispiel: „ ja ich hör schon, dass ich da etwas dumm gemacht haben sollte, aber ich habe eben in der Situation alles das genutzt, was vorhanden war und nicht vielleicht alles das, was ich hätte machen können“. Bei der Verwendung dieser Umgangsweise wird die Beachtung der Regel wichtig, nicht mit dem inneren Kritiker zu argumentieren. Du benutzt diese Umgangsweise, wie alle anderen Umgangsweisen auch nur dann, wenn du gefühlsmäßig dahinterstehst.

Umgangsweise: Übertreibung

Eine weitere Weise ist die der Übertreibung. Wenn der innere Kritiker sagt: „das hast du dumm gemacht“ kannst du entgegnen: „Du hast doch keine Ahnung, das war noch viel schlechter, dumm ist noch viel zu nett ausgedrückt“.

Umgangsweise: Bloßstellen

Beim Bloßstellen entgegnest du dem inneren Kritiker: „Wer bist du eigentlich, dass du meinst, solch ein Urteil abgeben zu können. Du kriegst doch kaum was mit. Also halt dich da raus“.
Diese, und noch weitere Umgangsweisen basieren darauf, dass der innere Kritiker ein Muster aus der Vergangenheit ist. Dieses Muster kritisiert die Gegenwart aufgrund von Maßstäben der Vergangenheit, ist aber nicht in der Gegenwart.

Umgangsweise: Akzeptieren

Bei dieser Umgangsweise sagst du: „stimmt, ich habe das dumm gemacht, ich habe meine Fähigkeiten nicht genutzt“. Damit gehst du auf den Inhalt der Botschaft als einen Hinweis ein, ohne dich mit der Form auseinanderzusetzen. Damit übernimmst du die Verantwortung für das, was du getan hast, und nutzt die Botschaft des Kritikers für später.

Umgangsweise: Die Botschaft des inneren Kritikers nicht annehmen

Hierbei sagt der innere Kritiker „das hast du aber dumm gemacht“. Und du sagst „na und“ oder „was geht mich das an“. Du übernimmst die Botschaft nicht.

Umgangsweise: das Thema wechseln

Der innere Kritiker sagt „das hast du aber dumm gemacht“. Und du sagst „auf meiner Einkaufsliste stehen noch Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren. Was wollte ich noch für diesen Eintopf kaufen“. Damit nutzt du eine der wenigen Freiheiten des Individuums. Du kannst deine Aufmerksamkeit lenken (522a). Daher kannst du sie auch von der Botschaft des inneren Kritikers weglenken.

Umgangsweise: Mitgefühl mit dem inneren Kritiker aufbringen

Mitgefühl heißt nicht Mitleid. Du nimmst es wahr, wie der innere Kritiker sich bemüht, dich auf dem rechten Weg zu behalten, dabei aber vorsintflutliche Mittel wie abwertende Kritik benutzt. Du weißt, dass, in der Metapher ausgedrückt, das Update schon lange aussteht. Du hast Mitgefühl mit dem inneren Kritiker. Du könntest sagen: “du bemühst dich wirklich sehr, mich auf dem rechten Weg zu behalten, auch wenn die Mittel, die du benutzt, z.B. mich dumm zu nennen, nicht sehr hilfreich sind“. Dabei nutzt du dein Wissen, dass der innere Kritiker ein Teil von dir ist, nur eben oft zu altmodisch.

Umgangsweise: Vollabern

Der innere Kritiker sagt „das hast du aber dumm gemacht“ und du sagst „stimmt (nur als Floskel gesagt) und morgen gehe ich ins Kino, und in den und den Film, und außerdem habe ich vor mich mal …, und hast du schon wahrgenommen, wie das im Moment in der Politik alles so abläuft“. Du achtest nicht auf die Botschaft, du achtest nicht auf die Form des inneren Kritikers, du laberst ihn voll.

Zum Schluss noch ein Hinweis auf den Prozess: dem inneren Kritiker die Energie „klauen“
Wenn der innere Kritiker dir in einer Audiofunktion begegnet, wenn du eine innere Stimme hörst, achte darauf, woher die innere Stimme kommt? Bei vielen kommt sie von etwas außerhalb des Kopfes, etwas oberhalb des Ohres und auf der rechten Seite. Und wenn deine Entgegnung Erfolg gehabt hat, höre und spüre in diesem Raum hinein, dort wo die Stimme herkam. Vielleicht spürst du dort eine Form von Leere. Diese Leere entsteht, weil der Raum vorher durch die Energie des inneren Kritikers besetzt war. Und du hast durch die erfolgreiche Entgegnung dem inneren Kritiker die Energie „weggenommen“. Wenn das der Fall ist, dann lass diese Leere in deinem Körper fließen. Daraus kann z.B. Präsenz entstehen, weil die Energie des inneren Kritikers nicht mehr da ist. Woher hat der innere Kritiker seine Energie? Von dir. Dies ist der Prozess den ich nenne „dem inneren Kritiker die Energie klauen. Die freiwerdende Energie des inneren Kritikers kannst du dann für andere Zwecke nutzen.

AUDIO:
MINDMAP:

5.1.1.b Übungen Umgangsweisen mit negativen Kritiken

511c Übung Umgangsweisen mit Lob und Anerkennung

Bei den meisten Menschen, und vielleicht auch bei dir, arbeitet der innere Kritiker hauptsächlich mit Tadel, mit Abwertung. Der innere Kritiker kann aber auch mit Lob arbeiten, z.B. „das hast du gut gemacht“. Wenn du vom Inhalt her auch der Meinung bist, dass das, was geschehen ist, gut gelaufen ist, dann werden dich deine Stimme und sein Lob mit Stolz erfüllen. Du hast dadurch Anerkennung erhalten.

Diese Anerkennung ist ein äußerer Wert, obwohl die Stimme des Kritikers von innen kommt (s.502a). Manchmal ist ein Lob des inneren Kritikers dir mehr wert als irgendein Lob von außen. Die Anerkennung erhöht deinen Wert, deinen Selbstwert, und das tut gut und ist manchmal auch wirklich nötig.
Dennoch hält diese Anerkennung dich in Abhängigkeit vom Wert von außen, von äußeren Werten. Diese Abhängigkeit verzögert dich den anderen Weg zu gehen, der im Bereich des Lernprogramms angestrebt wird: die Anerkennung von außen weitgehend umzustellen in die Anerkennung von innen, umzustellen auf den inneren Wert.

Übung: Umstellung des äußeren Wertes in den inneren Wert

Der innere Kritiker hat dich gelobt. Du fühlst dich in diesem Augenblick wohl, vielleicht spürst du den Stolz in deiner Brust. Vielleicht kannst du dann ein wohliges Gefühl im Oberkörper wahrnehmen. Das sind die Auswirkungen des äußeren Werts auf dein Selbstwertgefühl.
Bleibe bei diesem wohligen Gefühl, tue nichts, weder dass du es verstärken oder verändern willst.  Warte darauf, dass sich etwas wandelt und sei offen für alle Änderungen. Wenn du wartest kann es sein, dass du wacher wirst, oder präsenter. Dann hat sich das durch die äußere Anerkennung hervorgerufene Wohlgefühl in eine Seinswahrnehmung gewandelt. Und diese Präsenz, diese Wachheit, diese Seinsqualität, die du in diesem Augenblick spüren kannst, das bist du. Das ist ein Teil deines inneren Wertes. Auf diese Weise bist du vom äußeren Wert zum inneren Wert gelangt.

AUDIO:

511d Übung die Botschaft des inneren Kritikers „entkernen“

Bei jeder Botschaft des inneren Kritikers kann ein Inhalt und eine Form unterschieden werden. Die Form wird zumeist durch den Ton der Botschaft ausgedrückt, wenn der innere Kritiker wie bei den meisten Menschen als innere Stimme, also als „Audio“ erscheint.

Weiterhin verwende ich die Botschaft, die ich bisher stets als Beispiel benutzt habe, „das hast du falsch gemacht“. Der Kern enthält sowohl durch das Wort „falsch“ eine Bewertung als auch durch den Ton, in dem der innere Kritiker das gesagt hat, wenn dieser z.B. verächtlich war.
Ich kann mir den Inhalt der Botschaft -  das Fruchtfleisch zusätzlich noch einmal vor dem Essen genau anschauen und nur den Teil essen, der mir schmeckt.
Den Kern aber werfe ich weg, damit habe ich nichts mehr zu tun, ich lasse mich nicht abwerten, wenn ich genug Bezug zum inneren Wert, zum eigentlichen Selbstwert habe.

AUDIO:

512 Umgang mit Emotionen

Emotionen

Im Alltagsgebrauch nutzen wir oft die Begriffe „Gefühle“ und „Emotionen“ nebeneinander. Gefühle sind das, was du in diesem Augenblick gerade fühlst, im Hier und Jetzt.  Was du fühlst, also der Inhalt des Gefühls wird in anderen Abschnitten (s.332) zum Thema.
Emotionen dagegen sind Gefühle, die du früher einmal gehabt hattest und wo du beim Nach-Fühlen eine ganze Geschichte von früher erlebst.
Als Beispiel nehme ich eine Beziehung zwischen Menschen.
Zur Emotion gehört, wie du sie/ihn gefunden hast, ihr vielleicht zusammen wart, wo das gewesen ist, was diese in deiner Identität ausgelöst hat. All diese Informationen sind in den Emotionen gespeichert und werden durch das biographische Gedächtnis zurückgerufen.
Deshalb wirst du leicht durch Emotionen zurückgeführt, zurück katapultiert in die Phase deines Lebens, in der sich diese Emotionen gebildet haben. Dies ist die psychologische Basis für den Effekt, den ich später als „emotionale Entführung“ erläutern werde.

Übung: mein Alter bei Emotionen erspüren

Du kannst das auch ganz deutlich spüren, wenn du dich fragst „wie alt bin ich jetzt, wenn ich diese Emotionen spüre“.
Denke zurück an eine Prüfungssituation. Es wird ein Gefühl auftauchen, eine Emotion aus deiner Vergangenheit, Frage dich, wie alt fühle ich mich, wenn ich dies wahrnehme?
Lass dein Alter als Bauchgefühl kommen.
Das Alter kommt entweder als Periode, z.B. „da war ich noch ganz klein“, oder als erschließbare Zahl, z.B. „das war in der zweiten Klasse bei der Lehrerin …“.

Übung: Emotionen erspüren und deren Alter einschätzen

Vielleicht gelingt es dir auch, deine augenblickliche Emotion zu fühlen und gleichzeitig dein biografisches) Alter einzuschätzen, in welchen du dich jetzt gerade durch die Emotion ausgelöst „emotional“ befindest: bist du gerade ein kleines Kind, ein junger Erwachsener oder wie alt auch immer.
Du landest durch die Emotion dort, wo sich die Emotion gebildet hat und nicht im Hier und Jetzt.

Die begriffliche Unterscheidung von Gefühl und Emotion soll dich unterstützen wenn du dein Selbst ausweiten willst hin zum ganzen Selbst. Dann ist es erforderlich, dass du nicht immer wieder fast unbewusst in deine Vergangenheit zurückkommst, sondern aus der Gegenwart heraus eine Erweiterung vornehmen kannst. Insofern ist das Verhaften oder das Festhalten an Emotionen ähnlich dem, ein Fotoalbum aus der Vergangenheit aufzuschlagen das dich dadurch auch emotional zurückführt.

Übung: Gefühl und Emotion unterscheiden

Woran merkst du, dass du nicht mehr beim reinen Gefühl bist, sondern einer Emotion verhaftet bist, vielleicht auch emotional entführt wurdest?
Du fragst dich laut, wenn möglich: wie alt bin ich jetzt gerade wo ich diese fühle?
Du fragst dich ebenfalls laut, wenn möglich: woran erinnert mich das, was ich jetzt gerade fühle?

Emotionale Entführung

Sehr häufig, eigentlich jedes Mal, wenn eine Emotion wieder zum Leben erweckt wird, wird sie dadurch zum Leben erweckt, dass du mit deinem Bewusstsein häufig sogar unabsichtlich in die Vergangenheit gehst und den Zeitunterschied nicht wahrnimmst.
Dann findet etwas statt, was emotionale Entführung genannt wird. Du gehst aus der Situation im Hier und Jetzt, in der du etwas Besonderes fühlst, vielleicht Angst oder Abneigung, du wirst zurück katapultiert, du wirst entführt in deine Vergangenheit.
Emotionale Entführungen sind leider sehr, sehr häufig. Und sie bedeuten immer einen Rückschlag.

Feuermelder Funktion

Gefühle entsprechen einem Mechanismus, der dir eine Zustandsbeschreibung liefert. Er sagt dir, wie dein Organismus die ganze Welt wahrnimmt. Am deutlichsten ist es bei dem Gefühl der Angst. Der Organismus fühlt, dass etwas geschieht, was ihn auslöschen will.  Das Gefühl der Zufriedenheit hingegen meldet dem Organismus zurück, dass er so wie er ist, bleiben und das genießen kann.
Das Gefühl der Trauer zeigt an, dass der Organismus etwas verloren hat.
Durch Wut wird mitgeteilt, dass der Verwirklichung eines Bedürfnisses oder eines Impulses etwas entgegensteht.
Gefühle geben Zustandsbeschreibungen ab, das sind Mitteilungsfunktionen über den Zustand, wie sich der Organismus zur Zeit wahrnimmt. Hierbei ist es zunächst einmal unerheblich, ob der Zustand korrekt oder eingebildet ist. Ein Gefühl wird selten bewusst wahrgenommen und noch seltener wird überprüft, ob diese Wirklichkeitsbeschreibung auch richtig ist.

Man kann Feuermeldergefühle unterscheiden, aber alle anderen Gefühle dienen auch als Feuermelder. Sie geben eine sehr viel differenziertere Wahrnehmung. Im Grunde genommen brauchst du für das Leben nur die Mitteilung deiner Gefühle wahrzunehmen und  kannst dich dann gegenüber der Umwelt verhalten.

Die Verhaftung an den Gefühlen

Negative Gefühle willst du oft nicht wahrhaben. Du wehrst sie ab und hältst sie damit fest. Dagegen die positiven Gefühle willst du behalten, du willst sie möglichst nie verlieren.  Also nimmst du eine Zustandsbeschreibung durch die Gefühle wahr, wehrst sie ab oder hältst sie fest, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass sich deine Umwelt ständig verändert.
Wie kannst du dich also von deinen Verhaftungen lösen? Die Verhaftung durch die Vergangenheit in Form der Emotionen kannst du erkunden und auf ihren augenblicklichen Nutzen prüfen.
Mit den Verhaftungen durch die Vorlieben oder Abneigungen in den derzeitigen Gefühlen kannst du zunächst einmal umgehen, indem du sie erkennst und über ihre Funktion zur Kenntnis nimmst.
Dann kannst du dich fragen, was fühle ich jetzt in diesem Augenblick. Auch wenn du z.B. Freude spürst, kannst du dich zehn Minuten später fragen: was fühle ich jetzt.  Wenn du etwas anderes fühlst, dann ist das eine neue Zustandsbeschreibung.

Die positiven Gefühle willst du behalten, du willst sie möglichst nie verlieren.  Also nimmst du eine Zustandsbeschreibung durch die Gefühle wahr, wehrst sie ab oder hältst sie fest, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass sich deine Umwelt ständig verändert.
Wie kannst du dich also von deinen Verhaftungen lösen? Die Verhaftung durch die Vergangenheit in Form der Emotionen kannst du erkunden und auf ihren augenblicklichen Nutzen prüfen.
Mit den Verhaftungen durch die Vorlieben oder Abneigungen in den derzeitigen Gefühlen kannst du zunächst einmal umgehen, indem du sie erkennst und über ihre Funktion zur Kenntnis nimmst.
Dann kannst du dich fragen, was fühle ich jetzt in diesem Augenblick. Auch wenn du z.B. Freude spürst, kannst du dich zehn Minuten später fragen: was fühle ich jetzt.  Wenn du etwas anderes fühlst, dann ist das eine neue Zustandsbeschreibung.

AUDIO:

512a Übung Feuermelder Gefühle

Setze dir einen Zeitraum, in dem du deine Gefühle beobachtest und nach Feuermeldergefühlen Ausschau hältst.
Nimm alle Feuermeldergefühle wahr, die in dieser Zeit hochkommen.
Wo ist das Gefühl und wie fühlst du es in deinem Körper?
Welche Informationen über das Verhältnis zwischen deinem Organismus und der Umwelt gibt dir das dieses besondere Gefühl. Sind eventuell Handlungen erforderlich, um die Informationen, die dir das Gefühl gibt, auch wirklich zu nutzen?
Notiere dir deine Ergebnisse.

Um die Informationen, die dir die Gefühle geben haben auch wirklich zu nutzen, hier noch einmal kurz eine Auswahl aus den Feuermelder Gefühlen.

Angst sagt dir, dass eine Bedrohung besteht. Du kannst untersuchen: welche Bedrohung kann es sein, wo ist sie und ist sie real oder eingebildet? Hast du sie dir jetzt erst eingebildet oder ist dieses Gefühl durch eine emotionale Entführung zustande gekommen?
Wut sagt dir, dass es irgendwo ein Hindernis gibt. Auch hier kannst du dich fragen: welches Hindernis, wo ist es, ist es real oder eingebildet?
Traurigkeit sagt dir, dass du etwas verloren hast. Was hast du verloren?
Zufriedenheit sagt dir, dass der Zustand so wie er ist, gut ist. Um welchen Zustand handelt es sich und ist das auch nach heutigen Maßstäben real?

AUDIO:

513 Umgang mit inneren Grenzen

513 Innere Grenzen

Du bist es vom Selbst der Persönlichkeit her gewohnt Grenzen zu setzen und Grenzen zu befolgen.
Nach innen hin ist die Grenze vor allem von dem inneren Kritiker gesetzt. Er sagt dir, was richtig und was falsch ist, sogar was gut und was schlecht ist.
Nach außen hin setzt du Grenzen durch dein Verhalten und wehrst dich gegen Grenzüberschreitungen, gegen Grenzverletzungen durch andere Menschen und durch Umstände. Und du setzt selber Grenzen gegenüber anderen Menschen und versuchst, Umstände zu beeinflussen. Zu diesen Umständen gehören die Verhaltensanforderungen in der Lebenswirklichkeit, in der du gerade lebst.

Wichtig ist zunächst, dass du dir mehr und mehr der vorhandenen Grenzen, der inneren und äußeren, bewusst wirst. Denn gerade diese Grenzen halten dich dort fest, wo du herkommst. Wenn du also dein Selbst heute ganzheitlich leben willst, wenn du durch das ganze Selbst bestimmt werden willst, geht das besser ohne die überwiegend einschränkenden Grenzen, sowohl der inneren wie der äußeren Grenzen an die du gewöhnt bist oder zu denen du gezwungen wurdest. Diese umfassen weitgehend den eingeschränkten, konditionierten Teil des Selbst, also deine Persönlichkeit.

Du brauchst also eine neue Herangehensweise. Und die entsteht, indem du wählst, welche Grenzen du weiter behalten und welche du verändern willst. In anderen Worten: welche Grenzen schränken dein Selbst ein, welche halten es im bisherigen Bereich und welche Grenzen fördern die Ausweitung deines Selbst.

Der innere Kritiker schränkt die Veränderung und die Energie zur Veränderung ein und du musst dir von dort die fehlende Energie zurückholen.
Das gilt auch für die äußeren Grenzen. Vielleicht kennst du Verhaltensmuster bei dir, mit denen du dich selber in deiner Beziehung zu anderen einschränkst.

Beispiel: Grenzsetzung gegenüber den Emotionen in zwischenmenschlichen Beziehungen

Grenzsetzung gegenüber Emotionen heißt: du lässt weniger Emotionen zu und verbleibst mit deinen Gefühlen mehr im Hier und Jetzt.
Je mehr du deine Gefühle gegenüber deinem Partner, deiner Partnerin zulässt, desto mehr bist du in der Gegenwart. Je mehr du aber deine Emotionen zulässt, desto mehr bist du in der Vergangenheit. Durch Spüren deiner Gefühle bist du mit dir verbunden und durch spüren von Emotionen bist du unverbunden mit dir.Die Partnerin oder der Partner mag den Unterschied nicht bemerken. Denn du bist ja und nicht der/die Gegenüber gar nicht in der Gegenwart sondern in der Vergangenheit.
Die andere Seite benennt das möglicherweise als Projektion wie z.B. „das machst du immer so“.
Der Blickkontakt besteht fast immer im Gefühl. Blicke können sich treffen. Wenn du in der Vergangenheit bist, vermeidest du meistens den Blickkontakt. Wenn du bei den Gefühlen bist, hast du auch eher Verständnis für den anderen. Das Verständnis für Andere öffnet deine Bereitschaft, dich selber zu hinterfragen oder zu ändern. Durch die Vergangenheitsbezogenheit der Emotionen fehlt dir deine Bereitschaft dich zu ändern. Nur in der Gegenwart lässt du die eigenen Gefühle zu und bist nicht daran interessiert, den Anderen ändern zu wollen. In der Partnerschaft diskutierst du dann auch eher.
In der Gegenwart fühlst du immer wieder neu, in welchem Gefühl du bist. Du ruhst im Gefühl eher im eigenen Körper und gebrauchst emotionsorientiert deinen Verstand. In den Gefühlen fühlst du dich eher lebendig.

Durch das Fühlen vieler Emotionen in der Beziehung kann es jedoch eher vorkommen, dass du eine Erschöpfung spürst. Das Fühlen deiner Gefühle, das Aufrechterhalten deiner Gefühle, das Bleiben bei deinen Gefühlen macht dich in der Interaktion mit Anderen jedoch eher lebendig, während die vorrangige Orientierung an Emotionen eher zur Erschöpfung führt.

Ebenso ist die Verbindung zu deinen eigenen Gefühlen mit Nähe verbunden, während das Beharren auf oder das Verharren in der Vergangenheit durch Emotionen die Einsamkeit in der Beziehung verstärkt. Beim Gefühl bist du eher im Austausch. Der Austausch von Gefühlen ist eher heilsam, während der Austausch von Emotionen eher Flucht bei dir und Rache als Reaktion beim Partner hervorruft.

Und, vielleicht das Wichtigste: durch das Wahrnehmen von deinen Gefühlen bist du mehr mit deinem Herzen verbunden, durch das Wahrnehmen von Emotionen mehr deinem Ego, du bist also entweder mehr beim Vertrauen oder mehr beim Zweifel.

AUDIO:

513a Übungen: innere Grenzen erkunden

Bevor du Grenzen verändern kannst, hole sie erst ins Bewusstsein, d.h. erkunde sie. Dies geht sehr gut in Beziehungen.

Wähle eine Person, die du kennst aus
Wähle eine Emotion zu ihr/ihm aus
Welche Grenzen ergeben sich aufgrund dieser Emotion?
- welche körperliche Distanz?
- welche Themen sind erlaubt?
- welche Themen sind verborgen?
- welche Themen sind verboten?

Dann trete mit dieser Person in Kontakt und nimm dein aktuelle Gefühl zu ihr wahr.
Was ist anders durch die Nutzung von den vergangenheitsorientierten Emotionen und den gegenwartsorientierten Gefühlen.

Notiere dir die Ergebnisse der einzelnen Schritte der Übung.

AUDIO:

513b Übungen: Grenzen setzen und einhalten

Bleibe bei deinem Beispiel aus der Übung „513a innere Grenzen erkunden“.

Gibt es eine Grenze, die du gegenüber deinem Partner, deiner Partnerin neu setzen möchtest?
Dies kann als Lernobjekt auch eine kleine Grenze sein und nicht ein Basisstreit in der Beziehung.
Ein Beispiel aus dem Bereich des Kochens. Du magst nur etwas Chili in der Soße. Dein Partner, deine Partnerin mag es deutlich schärfer. Hier geht es um den Geschmack, und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Dennoch kann hierbei das Grenzen setzen und -halten ins Bewusstsein geholt und geübt werden.

Grenze setzen
Beschreibe diese Grenze so genau wie möglich. Im Beispiel: „Ich möchte mit dir zusammen essen. Aber die Soße ist mir zu scharf. Nimm bitte das nächste Mal weniger Chili.“

Da Grenzen zumeist Gewohnheiten sind, sollten sie so lange eingehalten werden, bis sie als Grenzen auch von anderen akzeptiert werden.

Grenze einhalten
Beim nächsten Mal ist die Soße für dich immer noch zu scharf. Im Beispiel sagst du „die Soße ist mir noch zu scharf. Hast du eine Idee wie die Soße entschärft werden kann?“ oder „Soll ich mal kochen?“ oder „Kannst du bitte weniger Chili verwenden und bei dir nachwürzen?“.

Notiere dir alle Schritte, um Verdrängungsprozessen entgegenzuwirken

AUDIO:

514 Umgang mit Psychodynamiken

Psychodynamiken

Die meisten Konditionierungen der Psyche oder auch der Seele sind statisch. Du hast eine bestimmte Einstellung zu etwas gewonnen und die bleibt so bis zu deinem Lebensende, es sei denn, du änderst sie. Dann hast du eine neue Einstellung, die wiederum statisch ist.

Psychodynamiken hingegen sind dynamisch, weil du es innerhalb der Dynamik mit unterschiedlichen Formen, mit unterschiedlichen Energien zu tun hast.
Dies mache ich deutlich bei der Wirkungsweise des inneren Kritikers, denn der innere Kritiker sagt dir nicht einfach was richtig oder falsch ist sondern setzt auch Energien ein: die emotionalen Entführungen entführen dich, so dass du in einem früheren Bewusstseinszustand landest und die systemisch wirkenden Psychodynamiken enthalten deutliche Veränderungen deines Ausgangszustandes.

Auch hier geht es noch nicht um Veränderungen der Dynamiken, sondern um ihr Erkennen. Diese Übungen sind Aufmerksamkeitsübungen.

Zum Schluss dieses Abschnitts sind noch Übungen eingefügt, wie aus Dynamiken auszusteigen ist.

AUDIO:

514a Dynamiken des inneren Kritikers

Bei den Dynamiken des inneren Kritikers unterscheide ich hier zwischen Lob und Tadel und beginne mit der Dynamik des Tadelns.

Wenn der Kritiker dich kritisiert, etwas an dir nicht gut findet, so beginnt oft schon vor der eigentlichen Kritik der Energieentzug.
Du kannst plötzlich merken wie sich das Niveau deiner Lebensenergie wandelt, wie du dich plötzlich schwächer fühlst.
Vielleicht merkst du auch den Fahrstuhleffekt: dass es dir flau im Magen wird oder im Bauch.
Und oft dann erst wird dir die Bewertung bewusst:
was du schlecht gemacht hast
oder wenn der innere Kritiker gleich an dein Selbstwertgefühl herangeht,
was du für ein schlechter, ungenügender und so weiter Mensch bist.
Dein Selbstwertgefühl verändert sich:
du schaust mit weniger Mut oder Zuversicht in die Zukunft
du vertraust weniger deinen Fähigkeiten
und das alles geschieht ganz schnell, im Nu.

Wie du damit umgehen kannst, wird an einem anderen Ort behandelt. Hier geht es nur darum, dich auf die Dynamik aufmerksam zu machen.

Aber der innere Kritiker hat ja noch die Seite der Anerkennung: die Dynamik des Lobes.

Hier sind zwei Aspekte für dich zu unterscheiden:
der Inhalt, was du anscheinend gut gemacht hast
und die Form, sehr oft, dass du ein toller Kerl bist oder eine tolle Frau.
Diese auf dein Selbstwertgefühl gerichtete Anerkennung erhöht dein Selbstwertgefühl
und bringt dadurch mehr Lebensenergie und macht dich zuversichtlicher.

Auch das Lob macht etwas mit dir, es enthält eine deutliche Dynamik, verändert dich.
Du spürst das Lob normalerweise in der Brust, im Herzen
und du fühlst dich wohl, fühlst vielleicht Stolz.

Dennoch ist unter der Perspektive des inneren Wertes auch das Lob eine Ablenkung. Denn der Wert bis du, du erhältst ihn nicht mehr vom inneren Kritiker.
Wie du damit anders umgehen kannst, als in die zugegebenermaßen angenehme Falle des inneren Kritikers zu tapsen, wird an einem anderen Ort als Übung angeboten (511c). Hier geht es um eine Aufmerksamkeitsübung.

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514b Dynamik der emotionalen Entführung

Wenn eine emotionale Entführung bei dir stattfindet, erlebst du das als eine
plötzliche Zustandsveränderung, die oft mit der Empfindung des älteren Fahrstuhls verbunden ist, dass der Fahrstuhl nach unten „fällt“ oder dass dir der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Du landest dann in einem früheren Zustand in dem du viel stärker durch die Merkmale der emotionalen Seele bestimmt warst.
Deine ganze Weltsicht verändert sich, die Art und Weise wie du Welt verarbeitest verändert sich.
Du bist in dem Moment weniger handlungsfähig, da du nicht mehr über die später angeeigneten Fertigkeiten und Fähigkeiten verfügst. Manchmal wirst du „entführt“, „zurückgeworfen“ in die Handlungsfähigkeit des Kleinkindes.

Dass eine emotionale Entführung stattgefunden hat, überprüfst du indem du dich fragst
„wie alt bin ich jetzt? In diesem Zustand.
Und, falls du noch genügend Bewusstseinskapazität übrig hast, „ob du jetzt im Augenblick im Hier und Jetzt bist“, und „ob du jetzt mit deinem Zentrum verbunden bist“.

Oft hast du bei und nach einer emotionalen Entführung weniger Energie zur Verfügung und zumeist auch unangemessene Gefühle, das heißt: Gefühle, die der jetzigen Situation nicht entsprechen.

Wie du mit emotionalen Gefühlen umgehen kannst, wird an einem anderen Ort in einer Übung angeboten (515ff.) Hier geht es um eine Aufmerksamkeitsübung.

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514c Systemische Psychodynamiken

Auch hier erfolgt nur eine Kennzeichnung.
Es können aufschaukelnde Dynamiken unterschieden werden, du kennst sie vielleicht am besten bei Stresssituationen.
Du entspannst nicht mehr, du bist aus dem Kreislauf von Anspannung und Entspannung herausgerissen. Jede Anspannung erhöht deshalb noch deine schon vorhandene Anspannung. Selbst die Anforderung, aus dieser Dynamik herauszugehen, ist eine weitere Anforderung und wird deshalb zumeist abgelehnt z.B. „wie soll ich meditieren können, wenn ich sowieso schon so angespannt bin“. Das Gefühl dabei ist: ich muss weiterhin noch mehr machen, weiterhin noch mehr leisten. Als Krankheitsbild taucht dieser Zustand auf in der Manie.

Weiterhin gibt es einfrierende Dynamiken.
Alles wird immer weniger. Dieses kennst du vielleicht, wenn du depressive Phasen erlebt oder bei anderen Menschen wahrgenommen hast. Der Rückzug wird immer stärker, die Motivation, diesen Prozess zu beenden oder umzudrehen wird immer schwächer. Das System friert ein.
Beide Dynamiken, sowohl die aufschaukelnde wie die einfrierende kommen im Burnout zusammen. Sie werden oft erst dann behandelt, wenn sie zu einer psychischen Krankheit geworden sind.

Weitere Felder von Psychodynamiken
Oft bist du ja nicht alleinlebend. In der Partnerschaft mit deinem Partner, mit deiner Partnerin bildet sich auch eine Psychodynamik heraus. Wenn Kinder da sind, bildet sich eine Psychodynamik in der Familie, im Familiensystem der derzeitigen Familie.

Und dann ist die Psychodynamik im Familiensystem zu betrachten: das heißt in deiner Ursprungsfamilie, deiner Sippe. Immer dann, wenn unerklärliche Dynamiken dein Leben bestimmen, kannst du überprüfen, ob du etwas aus der Vergangenheit „mit dir herumträgst“. Du merkst es daran, dass du unerklärliche Dynamiken erlebst, die dein Leben bestimmen. Du fühlst, dass du irgendetwas „trägst“, was nicht so richtig deines ist, und was mit den Erfahrungen in deinem bisherigen Lebenslauf auch nicht vollständig erklärt werden kann.
Dann ist es hilfreich an einer Familienaufstellung teilzunehmen.

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514d Aus Psychodynamiken aussteigen

Dies ist ein komplexes Gebiet, und ich gebe jetzt hier nur ein paar Hinweise. Meistens brauchst du dafür die Hilfe eines Therapeuten, einer Therapeutin.

Psychodynamiken sind oft so komplex und vielfältig, dass du mit deinem Alltagsbewusstsein als problemlösendes Instrument und auch mit den Übungen im Lernprogramm oft nicht aus ihnen aussteigen kannst. Daher hier einige Hinweise.
Bei jeder Dynamik kommt es drauf an, ob du von der Dynamik erfasst wirst, mitmachst oder nicht.
Du kannst aussteigen, indem du deine Identifikation mit dieser Dynamik beendest.
Wenn du es z.B. mit Stress zu tun hast, dann kannst du aus dem Stress aussteigen, indem du dich nicht mit den Anforderungen, die für dich stressvoll sind identifizierst. Ich biete dir hier an, etwa durch die noch später eingeführte Methode der Erkundung,
dir das Verhaftet sein in der Dynamik bewusst zu machen,
die Ursachen tief zu verstehen und dann abzuwarten, was dann geschieht.

Eine Identifikation kann auch dadurch außer Kraft gesetzt werden, indem du sie übersteigerst.
Ein Beispiel hierfür ist die Identifikation mit dem Lob des inneren Kritikers. Du bist stolz auf etwas, dies ist eine Identifikation. Du nutzt die Methode der Übersteigerung indem du z.B. sagst: „hierfür brauche ich aber noch viel mehr Anerkennung, als du mir gegeben hast.
Weiterhin kannst du aus der Identifikation durch das Nutzen des Willens aussteigen, indem du die Identifikation zu einem Willensprojekt machst. Beispiel: Ich lasse mich von Kollegen abwerten, ohne mich zu wehren.

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515 Umgang mit Persönlichkeitsmustern

Persönlichkeitsmuster

Vom frei fließenden Bewusstsein der unstrukturierten Seele, der ungebundenen Seele aus wahrgenommen sind Persönlichkeitsmuster Verdichtungen des Bewusstseins, die dessen freien Fluss behindern und einschränken können.

Eine Möglichkeit sich Persönlichkeitsmuster vorzustellen besteht darin, sich die Falten auf heißer Milch, die langsam erkaltet, vorzustellen.
Persönlichkeitsmuster haben eine entscheidende Auswirkung auf deine Möglichkeit, dich im freien Fluss des Bewusstseins zu bewegen. Und dieses Erkennen von ihnen muss geübt werden. Es geht also darum, die Muster wahrzunehmen, sie hinsichtlich ihrer Wirkung einzuschätzen und, wo erforderlich und möglich, zu wandeln oder aufzulösen.
Die Muster bestehen weitgehend aus Objektbeziehungen, also aus der Dreiheit von Ich-Identität und/oder Selbstbild, dem Objekt der Wahrnehmung sowie der Verbindung von Selbstbild und Objekt, die über Gefühle und Emotionen gesteuert werden.

Beispiel für eine Objektbeziehung

Du hast in deiner Entwicklung eine bestimmte Beziehung zu Blumen entwickelt und diese Beziehung sagt dir, ob du überhaupt Blumen magst, welche Blumen du magst und welche gar nicht. „Du“ steht dabei für dein Selbstbild oder für deine Ich-Identität, „Blumen“ für das Objekt deiner Wahrnehmung und „mögen“ für das Gefühl oder die Emotion.
Diese Objektbeziehung ist früh in deiner Kindheit gebildet worden und sie bestimmt als Muster deinen Umgang mit Blumen.
Jedes Mal, wenn du neue Erfahrungen im Bereich der Bewusstseinsstruktur der Persönlichkeit machst, werden neue Objektbeziehungen gebildet. Aber zumeist befindest du dich im bekannten Gebiet. Bekanntes Gebiet heißt, dass du sehr viele Erfahrungen mit diesen gemacht hast, und diese Erfahrungen sind alle gespeichert.

Beispiel: Verallgemeinerte Objektbeziehungen

Diese Objektbeziehungen teile ich ein als:
- abwehrende Objektbeziehungen, also alle die, welche du nicht magst und deshalb abwehrst;
- in frustrierende Objektbeziehungen, also alle bei denen du bestimmte Erwartungen hast, die aber immer wieder enttäuscht werden, denn das ist der Inhalt von Frustration
- idealisierte Objekte, also alles das, was du bewunderst, schickt findest oder auch verteufelst.

Diese verallgemeinerte Objektbeziehungen haben in der Metapher des Führerscheins die Funktion von Verkehrsschildern: etwa des Einbahnstraßenschildes, bei dem du weißt, wenn du falsch herum einfährst kann es schwierig werden und dass du es besser lässt.

Beispiel: Verallgemeinerte Gefühle

Verallgemeinerte Gefühle sind mit Verkehrsschildern zu vergleichen. Denn sie erlauben dir nicht bei jedem Betrachten neue Erfahrungen zu machen, sondern lenken dich gleich von bestimmten Bereichen weg oder zu bestimmten Bereichen hin. Gefühlsmäßige Einstellungen sind oft vorbewusst, etwa Einstellungen zu Rasern auf der Autobahn, Einstellungen zu bestimmten Politikern oder auch Einstellungen gegenüber Behinderten.
Einstellungen sind verfestigte Gefühle mit dem Vorteil, dass du nicht jedes Mal wieder genau hinschauen und hin Fühlen musst, mit dem Nachteil, dass du dich bestimmten Wirklichkeitsbereichen gar nicht mehr stellst. Und sie wirken situationsübergreifend: wenn du eine bestimmte Haltung zu Behinderten hast, eine bestimmte Einstellung, dann wirst du entsprechend deiner Einstellung handeln und nicht jede Situation neu überprüfen.

Die Gefühls-Haltungen sind ähnlich wie Einstellungen, nur musst du dich dabei mit dir selber konfrontieren. Das heißt: Haltungen sind abhängig vom Selbstbild und bewusstseinsfähig. Haltungen greifen auf deine individuelle Wertung zurück und werden jedes Mal dann, bevor du sie zur Orientierung einsetzt, erneut überprüft, ob du diese Haltung noch hast.

Beispiel: Unbewusste Muster und Dynamiken

Zu den Persönlichkeitsmustern gehören auch die eher unbewusst ablaufenden Dynamiken, die aber dennoch recht häufig vorkommen. Deshalb nenne ich sie hier Psychospiele. Ich hebe besonders das Täter-Opfer-Helfer Dreieck hervor, das Rabattmarken zählen und das Muster „Versetz mir eins“.
Obwohl es noch viele weitere Dynamiken gibt, die als Psychospiele gelten, werde ich hier nur diese drei behandeln. Diese Dynamiken gehören so oft zum Leben dazu, dass sie als Muster gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Das Ziel sie zu erkennen, und wo es geht, aufzulösen, ist, „flüssiger durchs Leben fahren zu können“. Um mit der Metapher zu sprechen, hast du es nicht mehr mit einem Gewirr von Straßen zu tun, um deren vielen Ecken du herumfahren musst.

Beispiel: Bindung von Lebensenergie durch Persönlichkeitsmuster

Persönlichkeitsstrukturen konditionieren, indem sie Bewusstsein und Lebensenergie binden. Wenn du z. B. nach eigener Einschätzung nur 45% der dir zur Verfügung stehenden Lebensenergie nutzt kannst du diese Menge durch das Auflösen vielleicht erhöhen und 50% oder 60% erreichen.

Aufräumen von Persönlichkeitsmustern

Eine Analogie besteht zur Festplatte im Computer. Dort werden Programme und Daten gespeichert. Das Hauptprogramm auf der Bewusstseinsebene der Persönlichkeit ist die Persönlichkeit mit all ihren Mustern. Diese werden im biografischen Gedächtnis gespeichert. Weiterhin werden alte Fähigkeiten, altes Wissen, über welches du verfügst gespeichert. Diese Daten werden allerdings an einem anderen Ort im Gehirn gespeichert:  im „Arbeitsgedächtnis“.
In der Erinnerung wird nichts weggeworfen, vielleicht nur etwas schwerer gefunden, weil sich dort Erfahrungen aus ganz vielen Situationen, aus ganz unterschiedlichen Zeiten, ganz anderen und sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadien sammeln. Aber diese wirken auch weiter, wenn sie aufgerufen werden.
Ziel des Aufräumens ist es, Behinderungen beim Fahren durchs Leben aufzulösen.

Beispiele: Süchte, Zwänge, verfestigte Glaubenssysteme.

Diese Persönlichkeitsstrukturen können beim Aufräumen aufgelöst werden. Dies jedoch nur im Hinblick auf die Behinderung beim Leben im ganzen Selbst. Und nur aus diesem Grund schlage ich ein Aufräumen vor. Alle anderen Zwecke zum Aufräumen sind nicht Gegenstand in meinem Programm.

AUDIO:

515a Übung „Aufräumen“ von Persönlichkeitsmustern

Sortiere zunächst einmal deine ausgewählten Muster nach der Bedeutsamkeit für das Lernprogramm, also danach, ob sie dich behindern oder nicht das ganze Selbst zu nutzen, und mache dir eine Liste.

Aus dieser Liste wähle drei einfache Muster aus.
Einfach heißt: keine komplexen Dynamiken, keine komplexen Muster und notiere dir diese.
Dies könnten sein: eine Objektbeziehung wie z.B. ein Gericht, dass du nicht magst, ein verallgemeinertes Gefühl, eine Emotion wie z.B. Ekel vor Spinnen, eine einfache Gewohnheit wie z.B. das Einstecken von Servietten nach dem Essen in Restaurants.
Dann bearbeite jedes Muster und entziehe ihm die Energie auf die Weise, wie ich es bei den Übungen 515 c bis d im Einzelnen aufgeführt habe.
Wenn du dabei etwas geübter bist, dann wähle ein komplexes Muster aus, z.B. ein Psychospiel wie „ich versetze dir eins“ und entziehe diesem Muster die Energie.

Alle Muster sind auch nach Energieentzug noch weiterhin vorhanden. Sie sind dann aber eher als eine verblassende Erinnerung wahrnehmbar, denn als ein aktives Muster, das dich ungebührlich beschäftigt.

AUDIO:

515b Übung Lebensenergie einschätzen

Je nach deiner Situation verfügst du über eine unterschiedliche Menge dir zugängiger Lebensenergie.
Die vorhandene Menge Lebensenergie einzuschätzen lernst du mit Hilfe der Methode des Kalibrierens. Sie ermöglicht die allmähliche Annäherung an eine verlässliche innere Einschätzung.

Suche dir drei Situationen aus deinem Leben aus z.B. beim Aufstehen, bei der Arbeit, in der Beziehung und notiere dir diese Situationen.
Dann wähle eine dieser Situationen aus und spüre dich hinein.
Nimm Kontakt mit deinem Atem auf, dann mit deinem Bauchraum,
und lasse eine Einschätzung entstehen über wie viel Lebensenergie du im Moment verfügst. Benutze zu dieser Einschätzung eine Skala von 0 bis 100%.
Da sie aus deinem Bauch entsteht versuche nicht, sie durch denken oder analysieren genauer zu machen.
Dies bleibt eine subjektive Einschätzung, eine Einschätzung nach deiner momentanen Befindlichkeit.

Dann spüre, ob diese Einschätzung, mit obiger Kennzahl, z.B. 35 %, sich stimmig anfühlt. Wenn ja, dann nimm sie als eine für dich als Subjekt objektiv richtige Einschätzung an.
Wenn sie sich nicht stimmig anfühlt, dann versuche erst gar nicht den Verstand oder den inneren Kritiker zu Hilfe zu nehmen, sondern gehe zu einer anderen Situation über.

Die Stimmigkeit entsteht beim Hineinspüren und sie wird nur zu einer Unstimmigkeit, wenn Zweifel ansetzen, wenn du nach Begründungen Ausschau hältst, wenn du versuchst, die Situation zu analysieren. Auf diese Weise funktioniert es nicht.

Dann führe diese Übung bei den anderen beiden Situationen durch und entweder sofort oder allmählich, oder auch nach mehreren Versuchen erhältst du eine für dich stimmige Einschätzung

AUDIO:

515c Übung Objektbeziehungen ent-energetisieren

Diese Übung hilft, dass die Energie, die vorher in der Objektbeziehung „geronnen“ war, frei wird und mit zum verfügbaren Maß an Lebensenergie hinzukommt.

Wähle fünf Objektbeziehungen von mittlerer Brisanz aus, nicht die Objektbeziehung zu deiner Mutter und nicht eine Objektbeziehung zu einem Streichholz. Notiere sie dir. Beispiele: Vorlieben, Vorurteile, z.B. aufdringliche Bettler, Abneigungen, irgendetwas daraus mit mittlerer Brisanz.

Beginne mit einer Objektbeziehung. Kläre schriftlich um welches Objekt es sich handelt.
Beschreibe das Objekt genau. Wenn du das Beispiel mit dem Bettler benutzen solltest, dann beschreibe welche Situation das war, was für ein Bettler das war, wie du von ihm angegangen wurdest.
Dann kläre schriftlich die Beziehung.
Welches Gefühl hattest du dabei? Fühltest du dich bedroht? Fühltest du dich verärgert?
Welches Gefühl war vorherrschend? Vielleicht gab es auch mehrere Gefühle?
Dann kläre ebenfalls schriftlich, was für ein Selbstbild hattest du in dieser Objektbeziehung von dir? Wer bist du? Wer bist du in Beziehung zu diesem Objekt?
Bist du z.B. jemand, der sich leicht reizen lässt? Bist du jemand, der leicht Angst hat? Bist du jemand, der meint, solche Bettler müssten verschwinden oder überhaupt alle Bettler sollten verschwinden? Was auch immer.

Nachdem du diese Beschreibungen schriftlich festgehalten hast, empfehle ich dir drei Methoden, damit umzugehen um diese Objektbeziehung zu ent-energetisieren.

Ent-energetisieren heißt, dass du die psychische Energie aus dieser Objektbeziehung entnimmst oder wesentlich verminderst. Dies, damit dich eine solche Situation nicht mehr stört.

Erste Methode: Wenn ich hiervon frei wäre

Du stellst dir so vielsinnig wie möglich vor, wenn du in einer Situation mit dem gleichen Bettler oder der gleichen Bettlerin bist und wenn du von deinen bisherigen Gefühlen frei bist, schon fast neutral.
Vielsinnig bedeutet, dass du zunächst einmal den Sinneskanal wahrnimmst, der bei dir am stärksten ausgebildet ist: wenn das der visuelle Kanal ist, stellst du dir die Situation in Farbe vor, mit Tiefenschärfe und so weiter.
Wenn du mehr spürst und Spüren dein bevorzugter Kanal ist, dann nimm die von dir eingesetzte Energie in dieser Situation wahr.
Wenn du sehr stark über Empfindungen wahrnimmst, wenn Empfinden dein bevorzugter Kanal ist, mach dir bewusst, wie sich dein Körper anfühlt, wenn du nicht angebunden, sondern frei wärest.
Wenn du hauptsächlich über Hören wahrnimmst, also besonders auditiv veranlagt bist, dann höre noch einmal genau hin, wie der Bettler jetzt klingt, und wie deine Stimme jetzt klingt.
Wenn es ein noch einen anderen Kanal gibt, den ich hier nicht aufgeführt habe, oder du synästhetisch veranlagt bist, also mehrere Sinne gleichzeitig bevorzugst, dann mach dir bewusst, was in diesem anderen Kanal für eine Befreiung fühlbar ist.

Durch diese Methode entsteht in dir ein zusätzliches neues Selbstbild, nämlich wie du dich in einer solchen Situation anders verhältst.

Zweite Methode: Erkundung

Als weitere Methode empfehle ich die Methode der Erkundung (siehe 549a).

Dritte Methode: das Staubsaugen

Auch diese Methode wird umfangreich (unter 549b) eingeführt.

Zum Abschluss kläre, ob die Objektbeziehung dir noch wichtig ist. Wenn ja, wenn sie noch „Saft“ hat, setze eine andere Methode ein. Wenn nein, ist damit der Prozess beendet.

Falls die Ent-energetisierung bei der anderen Methode auch nicht funktioniert, dann nehme eine weitere Methode. Entscheidend ist, dass die Objektbeziehung an Energie verliert, um dich nicht weiterhin zu einzuschränken.

AUDIO:

515d Übung: Verallgemeinerte Gefühle wahrnehmen und „entkernen“

Verallgemeinerte Gefühle sind Gefühle, die nicht mehr auf den Entstehungszusammenhang bezogen werden und daher irreführend wahrgenommen werden können.
Sie äußern sich oft in Einstellungen, bei denen zwar ein Gefühlsanteil überwiegt, der im Bewusstsein meist auch stark mental, also kognitiv, belegt ist.
Bei der Verwendung von verallgemeinerten Gefühlen gehst du „schlampig“ mit Gefühlen um, und nutzt sie nicht als Navi des Organismus sondern als Spielball der mentalen Muster wie z.B. des inneren Kritikers. Verallgemeinerte Gefühle sind in dieser Hinsicht Vorurteile.

Wähle drei Einstellungen aus und notiere sie im Klartext: z.B. ich hasse Unklarheit.
Kläre die Emotion, in diesem Fall Hass.
Warum bist du so erregt, dass du Unklarheit hasst?
Erkunde die Ursprungssituation in der diese Einstellung entstanden ist, so gut es dir heute noch möglich ist:
Wann wurde es dir das erste Mal so richtig deutlich, dass du auf Unklarheit mit dem Gefühl Hass reagierst?
Dann empfinde Mitgefühl mit dir selbst darüber, dass du durch ein Gefühl geprägt wurdest,  und im obigen Beispiel auf Situationen von Unklarheit nur mit Hass antworten kannst.

Auswertung der Übung

Welche Möglichkeit hast du jetzt, nach dieser Übung, auf Unklarheit allgemein, auf unklare Situationen, auf unklare Beziehungen zu antworten?
Hat sich nach der Klärung irgendetwas verändert?
Wenn keine Veränderung erfolgt ist am Beispiel „ich hasse Unklarheit“ dann kann es sein, dass du etwas übersehen hast. Vielleicht steht der Hass im Beispiel für Hilflosigkeit.
Wiederhole die Übung bis du eine Veränderung in der gewählten Einstellung wahrnimmst.
Spüre wie du jetzt offener sein kannst, offener auf die Situation, auf die Beziehung zugehen kannst, die du vorher mit so einer starken Reaktion belegt hast.

AUDIO:

515e Übung: Werthaltungen anpassen

Werthaltungen sind Einstellungen, die im Bezug zum Selbstbild stehen und von dir als Wert wahrgenommen werden.

Suche dir drei Werthaltungen für diese Übung aus.
Notiere sie im Klartext z.B. „ich bin ehrlich“.
Kläre den Wert Ehrlichkeit für dich ab
Kläre das Selbstbild, dass diesem Wert für dich entspricht: z.B. „ich spreche die Wahrheit, ich verzichte aufs Betrügen“.
Dann erkunde die Entstehungssituation, in der der Wert für dich entstanden ist.
Wann hast du diese Eigenschaft als Ausrichtung für dein Tun und Denken angenommen?
Von wem hast du den Wert übernommen?
Hast du den Wert dir selbst gebildet?
Wie stehst du heute zu diesem Wert?
Ist er deiner jetzigen Wirklichkeit angemessen?
Ist er heute noch realistisch?
Ist er dem Lernprojekt angemessen?

Notiere dir die Ergebnisse.

Abschluss der Einschätzung einer Werthaltung.
Passe die Werthaltung gegebenenfalls an.

AUDIO:

513f Übung: Aus Psychospielen aussteigen

Zunächst einmal eine Vorbemerkung: wenn die vier als Beispiel hier aufgeführten Psychospiele, nämlich das „Täter Opfer Helfer Dreieck“, das Psychospiel „Rabattmarken sammeln“, das Psychospiel „versetz mir eins“ und das Psychospiel „bis“-Muster bei dir eine starke Betroffenheit auslösen, suche therapeutische Unterstützung auf und verzichte darauf, diese Übungen in deinem jetzigen Zustand durchzuführen.
Wenn diese Übung weniger Betroffenheit als Neugier bei dir auslösen, dann hast Du hier die Möglichkeit, mit vier verschiedenen Psychospielen beim Üben deine Erfahrungen zu machen.

Psychospiel „Täter Opfer Helfer Dreieck“
Kläre, ob du dich ab und zu oder öfters in einer der drei Positionen wiederfindest und mache dir dazu Notizen. Wenn nicht, dann verzichte auf diese Übung. Wenn ja:
Welche ist deine Lieblingsposition?
In welcher Position findest du dich zumeist?
Wie bist du da rein geraten?
Beschreibe den Sog, der dich da reingezogen hat. Denn die Teilnahme an Psychospielen suchst du dir meistens nicht aus, sondern du wirst davon erfasst. Du hast dabei gar keine Wahl, zumindest solange du sie nicht kennst, sie dir nicht bewusst werden.
Finde die Entstehungssituation heraus: wo warst du zum ersten Mal ganz deutlich entweder Opfer, Täter oder Helfer? Was hättest Du damals gebraucht, um dieser Position zu entgehen, nicht weiter mitzumachen?
Empfinde Mitgefühl mit dir selbst, dass du heute noch oft in dieses Spiel hineingezogen wirst.
Welche Möglichkeiten hast du jetzt auszusteigen?
Wenn eine Veränderung einsetzt, spüre ihr nach.
Spüre die Offenheit, wenn du nicht oder weniger stark hineingezogen wurdest, und spüre die Freiheit, die damit verbunden ist.

Wenn du keine Veränderung bemerkst, hast du vermutlich etwas bei dieser Übung übersehen. Vielleicht warst du gar nicht Helfer, sondern Opfer oder Täter, was auch immer. Dann wiederhole diese Übung.

Psychospiel „Rabattmarken sammeln“

„Rabattmarken sammeln“ ist ein metaphorischer Ausdruck für eine verzögerte Vergeltung.
Kläre zunächst ab, ob du dich ab und zu in solch einer Situation befindest, und wenn du dich dort nicht findest, verzichte auf diese Übung.
Wenn du dich darin befindest, beschreibe die Situation und achte auf immer Wiederkehrendes. Notiere dir bei allen Schritten die Ergebnisse.
Erkunde die Ursprungssituation.
Wann ist dir das „Rabattmarken sammeln“ das erste Mal passiert. Diese Erkundung erfolgt wie immer ergebnisoffen.
Kläre die Emotion, die du dabei gehabt hast.
Welches Gefühl hättest du gebraucht, welchen Beistand, um auf das „Rabattmarken sammeln“ zu verzichten?
Empfinde Mitgefühl mit dir selbst wegen der Prägung auf dieses Gefühl und auf diese Situation.
Welche Möglichkeiten hast du jetzt, nachdem du mit diesem gearbeitet hast?
Hat sich in dir etwas verändert?
Wenn ja, spüre diese Veränderung, spüre die Freiheit, die damit verbunden ist.
Hat sich keine Veränderung ergeben, dann hast du vielleicht etwas übersehen, vielleicht deine Emotion nicht ausreichend wahrgenommen.
Dann wiederhole diese Übung.

Psychospiel „versetz mir eins“
In diesem Psychospiel geht es um: Betteln um Bestrafung. Dieses Betteln wird auch als eine Form der Zuwendung verstanden und ist ein Prozess der negativen Verschmelzung.
Du versuchst mit jemand, zumeist im Anfang mit der Mutter, zu verschmelzen. Nimmt dich deine Mutter nicht an, beachtet dich nicht so wie du es brauchst, dann tust du etwas, was sie stört, was sie gegen dich aufbringt, und hoffst damit zumindest etwas Zuwendung. Denn negative Zuwendung ist, nicht nur für das Kleinkind, mehr als gar keine Zuwendung.
Kläre ab, ob du dich ab und zu in solch einer Situation befindest. Wenn nicht, dann verzichte auf diese Übung.
Wenn ja, beschreibe die Situation und achte auf immer Wiederkehrendes.
Erkunde die Ursprungssituation, die Emotion und welches Gefühl hättest du damals gebraucht und welche Art der Zuwendung.
Empfinde Mitgefühl mit dir selbst wegen deiner Prägung auf dieses Gefühl und auf diese bestimmte Form deiner Bedürfnisbefriedigung.
Welche Möglichkeiten hast du jetzt?
Hat sich eine Veränderung ergeben?
Wenn ja, dann spüre die Veränderung, spüre die Zunahme von Offenheit, die Freiheit die du in solch einer Situation haben kannst.
Hat sich keine Veränderung ergeben, dann schau noch mal nach, spür noch einmal nach,  ob du vielleicht etwas übersehen hast, vielleicht etwas fehlgedeutet hast und wiederhole diese Übung.

Psychospiel: „bis“-Muster
Das „bis“ Muster ist eine Vermeidungs-, Rationalisierungs- und Legitimationsstrategie. Da es durchschaubar ist, ist es zugleich ein Spiel mit dir selbst auf der Persönlichkeitsebene, d.h. Zwischen Mustern deiner Persönlichkeit. Du vermeidest Anforderungen, bei denen du befürchtest, zu versagen.

Wenn das „bis“ Muster in Kraft ist, dann suchst du dir etwas anderes aus, um es zu erledigen und ordnest alles andere dem zu erledigen unter, unabhängig davon, ob die anderen Angelegenheiten wichtiger sind. „Bis“ du das ersatzweise zu Erledigende nicht vollständig erledigt hast, brauchst du dich Anderem nicht zuzuwenden. Du räumst z.B. deinen Schreibtisch auf, um einen Artikel nicht zu schreiben und legitimierst deine Handlungsweise damit, das den Schreibtisch aufzuräumen etwas ist, was du immer schon mal machen wolltest. Oder du gießt deine Blumen, um nicht an die Arbeit gehen zu müssen. Oder du schiebst ein unangenehmes Gespräch auf, bis du dich besser fühlen wirst - und das kann im Extremfall sehr lange dauern.
Oft suchst du dir anschließend ein weiteres zu Erledigendem, wenn das alte ausgeführt ist. Ist der Schreibtisch aufgeräumt, dann „erledigst“ du Anrufe, die du schon lange führen wolltest – und bist immer noch nicht beim Schreiben deines Artikels.

Vorgehensweise
Kläre ab, ob das „bis“-Muster dich an für deine heutige Situation wichtigen Vorhaben hindert.
Wenn ja notiere die „bis“-Botschaft, z.B. „bis der Schreibtisch nicht aufgeräumt ist“.
Notiere das, was du vermeiden, herauszögern willst, so genau wie möglich. Im Beispiel: „Ich will den Artikel nicht schreiben“.
Erkunde dann genauer, was du vermeiden willst und notiere es. Im Beispiel: „Ich weiß nicht, was ich da schreiben will“ oder „Ich finde keinen Anfang“ usw.
Welche Gefühle hast du dabei, wenn du an das zu Vermeidende denkst? Hast du keine „Lust“? Fühlst du dich überfordert, hilflos usw.?
Was sagt dein innerer Kritiker dazu, dass du die Handlung vermeidest oder sie hinauszögerst? Stachelt er dich an? Wertet er dich ab? Notiere dir den Wortlaut und die emotionale Botschaft des inneren Kritikers.
Wer bist du, wenn du vermeidest, hinauszögerst? Beschreibe dein Selbstbild.

Damit hast du das Muster geklärt. Im nächsten Abschnitt geht es um die Entstehungssituation des konkreten Musters.
Geh in deiner Erinnerung zurück, bis dieses Muster das erste Mal auftaucht: dass du etwas vermeidest, hinauszögerst. Oft wirst du es in deiner Kindheit finden, im Kontakt mit deinen Bezugspersonen, überwiegend den Eltern. Manchmal findest du es aber auch erst später, im Kindergarten, in der Schule.
Lass diese Situation so deutlich und so vielsinnig wie möglich auftauchen. Wer war beteiligt, um was ging es, wie hast du dich gefühlt, wie gehandelt? Wer hat dich bedrängt und wie? Hat dir jemand beigestanden?
Du hast damals so gut wie es dir möglich war gehandelt. Du warst ein Kind oder ein Jugendlicher. Vermeiden und Hinauszögern waren die besten oder die einzigen Strategien, die dir damals zur Verfügung standen.
Spüre dein Mitgefühl für dich in der damaligen Situation.
Was ändert sich in dir, während du Mitgefühl mit dir empfindest?
Nachdem sich etwas verändert hat, was empfindest du jetzt als Erwachsener, wenn du an die Strategien der Vermeidung oder Verzögerung denkst? Brauchst du sie noch? Passen sie noch zu deinem veränderten Selbstbild?
Stelle dir vor, du verzichtest auf diese Strategien.
Wenn sich nichts gewandelt hat? Vielleicht hast du die Entstehungssituation noch nicht gefunden. Vielleicht möchtest du gewisse Wahrheiten nicht annehmen. In diesen Fällen suche erneut nach der Entstehungssituation und erkunde, was du nicht wahrnehmen willst.

Ein weiterer Weg des Umgangs mit der Auflösung von Psychospielen, der nicht auf die Rückführung in die Entstehungssituationen zielt, ist der Einsatz des Willens (542ff., 543f.).

AUDIO: