Wach bleiben

550 "Wach bleiben"

Wach bleiben

Vom großen Mystiker Rumi wird ein Ausspruch übermittelt: „schlaf nicht wieder ein“ mit der er auf eine Besonderheit hinweist. Der Bewusstseinszustand der Persönlichkeit ist so vorherrschend, so stark in der Seele konditioniert, dass andere Bewusstseinszustände oft nicht auf Dauer eingenommen werden. Nach Rumis Worten schläfst du nach einer Erleuchtung, bzw. nach einer Wahrnehmung des Bewusstseinszustands des Seins, regelmäßig wieder ein.

Es geht also darum, „wach zu bleiben“, denn die gewohnheitsmäßige Organisation von Reizen im Organismus wird durch die Persönlichkeitsstrukturen benutzt, sowohl die äußeren Reize wie die inneren Reize. Die Ego-Aktivität ist so stark, dass das Beibehalten, das Bleiben in anderen Bewusstseinsstrukturen ständig „gestört“ wird.

In den spirituellen und mystischen Traditionen sind unterschiedliche Wege entwickelt worden, um dieser Beeinflussung entgegenzuwirken.

Ich habe die Übung entwickelt „Niederlassen, Erheben und Schreiten“, die in Verbindung mit dem „Kraftraum wahrnehmen“ oder den „Kraftpunkt wahrnehmen“, dazu führt, dass du immer wieder bei alltäglichen Verrichtungen in dein Zentrum zurückgeführt wirst.

Jedes Mal, wenn du aufstehst, also dich erhebst, jedes Mal, wenn du dich hinsetzt, also niederlässt, jedes Mal, wenn du gehst, also wenn du schreitest, hast du die Möglichkeit, dich aus einem anderen Bewusstseinszustand heraus zu bewegen und dadurch wach zu bleiben.

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MINDMAP:

5.5.0. Wach bleiben

551 Niederlassen, Erheben und Schreiten

Diese Übung ist ein Beispiel für den etwas größeren Bereich „wach bleiben“, „nicht wieder einzuschlafen, wie Rumi zitiert wird, ein wichtiger Mystiker des Islam.

Was bedeutet das im Zusammenhang mit dem Lernprogramm.
Wenn du diese Ausweitung zum ganzen Selbst aus dem konditionierten Selbst wirklich wünschst und anzielst, dann bedeutet das auch eine Abkehr von deiner bisherigen Konditionierung. Diese Abkehr ist nicht nur einfach wie ein Straßenwechsel, da die bisherige Konditionierung ein sehr dynamisches System ist und weiterhin versucht, jede Form von Abkehr oder Weiterentwicklung unmöglich zu machen.

Daher werden im Lernprogramm viele Zugänge, Techniken und viele Übungen eingeführt, die es ermöglichen, dass das ganze Selbst dein Leben bestimmt.
Der Sog des Bisherigen, der Sog der Vergangenheit, der Sog der bisherigen Konditionierung ist jedoch außerordentlich stark. Und in dem Augenblick, in dem dein Bewusstsein einschläft, in dem du wieder in deine normalen Routinen übergehst, gehst du „schlafen“, d.h. auch, du wirst unbewusst.

Du sollst jedoch nicht nur „wach bleiben“ sondern auch „aufwachen“.

Eine Übung zum „wach bleiben“ und zum „aufwachen“ habe ich genannt:  „niederlassen, erheben und schreiten“. Im Lebensvollzug kommt es oft vor, dass du dich hinsetzt, dass du aufstehst und dass du gehst. Das passiert jeden Tag viele Male.

Und jedes Mal kannst du durch Achtsamkeit überprüfen, ob du noch „wach“ bist, oder ob du schon „schläfst“ oder ob du jetzt „aufwachen“ möchtest.

Demonstration und Mitmachübung

Oben beschriebenes möchte ich jetzt einmal vorführen, demonstrieren und ich lade dich ein, mir zu folgen und das ebenfalls zu machen.
Vorher brauchst du als Rüstzeug die Übung „den Kraftraum einnehmen“

Anleitung

Du sitzt irgendwo und irgendwie.
Du weißt, du wirst jetzt gleich aufstehen und
du entscheidest dich, dieses Aufstehen in eine Übung zu verwandeln, indem du das Aufstehen in ein Erheben verwandelst.
Du benutzt diese Begriffe, um dich darauf aufmerksam zu machen, dass das Erheben jetzt mit einer Übung verbunden ist.

Nimm ein oder zwei Atemzüge;
geh mit deiner Bewusstheit, mit deinem Bewusstsein in den Unterbauch;
lass den Kraftraum entstehen oder den Kraftpunkt;
Wenn du in Verbindung bist mit dem Kraftraum oder mit dem Kraftpunkt
lass einen Teil deines Bewusstseins dort bleiben, die Verbindung aufrechterhalten
und dann erhebe dich;
und während du dich erhebst, bleibe mit deinem Bewusstsein, mit  einem Teil deines Bewusstseins im Kraftraum oder beim Kraftpunkt;
wenn du dich erhoben hast, dann gehe dorthin, wo du hingehen willst;
und halte, solange wie es geht, solange du dein Bewusstsein halten kannst, halte es auch beim Gehen, und du kannst das Gehen mit „Schreiten“ bezeichnen; halte weiterhin einen Teil des Bewusstseins  beim Schreiten, beim Kraftraum oder beim Kraftpunkt.

Irgendwann wird es Ablenkung geben und du wirst in die Normalität der Persönlichkeit zurückfallen. Du würdest „einschlafen“, so wie Rumi es nennen würde.

Aber bald kommt ja erneut der Augenblick, wo du merkst, dass du dich hinsetzen willst;
du kannst dich entscheiden, dass du dieses Hinsetzen durch den Begriff des Niederlassens in eine Übung verwandeln willst;
du bist ziemlich nahe an dem Bereich, wo du dich hinsetzen willst;
und du spürst
und nimmst vielleicht mit Hilfe deines Atems Kontakte auf mit deinem Unterbauch, mit dem Kraftraum.
Wenn du die Verbindung aufgenommen hast, bleibe mit einem Teil deines Bewusstseins dabei und lasse dich nieder.

Auch beim Niederlassen behalte einen Teil deines Bewusstseins im Kraftraum oder Kraftpunkt.
Wenn du jetzt niedergelassen bist, wenn du dich hingesetzt hast, bleibe, solange es dir gelingt, mit einem Teil deines Bewusstseins beim Kraftraum oder Kraftpunkt.

Diese Übung braucht Gewöhnung, braucht dein Eintrainieren, braucht dein In-Gewohnheit-bringen. Und sie ist zwar ungewöhnlich aber nichts Besonderes.
Wenn du beim Sport eine neue Bewegungsabfolge lernst, wirst du das auch nicht sofort können. Zum Anfang wirst du extra Konzentration brauchen, um den Kraftraum zu erreichen, oder den Kraftpunkt zu erreichen.

Mit zunehmender Übung wird es wahrscheinlich so ablaufen du triffst die Entscheidung, du bist mit einem Atemzug im Unterbauch, mit einem weiteren Atemzug hast du Verbindung mit dem Kraftpunkt oder Kraftraum geschaffen und du kannst die Übung durchführen.

AUDIO:
MINDMAP:

5.5.1. Niederlassen, Erheben und Schreiten

Übung Niederlassen, Erheben und Schreiten

Diese Übung unterstützt dich darin wach zu bleiben, das heißt in einem Bewusstseinszustand der nicht der Bewusstseinszustand der Persönlichkeit ist zu verbleiben oder ihn wieder zu erreichen. Denn der Bewusstseinszustand der Persönlichkeit ist für viele, vielleicht auf für dich, der Normalzustand, und nach Rumi der Zustand, in dem du „schläfst“.

Dies erfolgt, indem du drei ganz gewöhnliche Prozesse des Alltags umwandelst: das sind vom Hinsetzen zum Niederlassen, vom Aufstehen zum Erheben, vom Gehen zum Schreiten.

Viele werden dadurch motiviert, dass diese Begriffe Bezeichnungen für ein souveränes Handeln sind, souveränes Handeln ausdrücken. Wenn du ganz souverän bist oder ein Souverän bist, dann setzt du dich nicht hin, dann lässt du dich nieder, dann stehst du nicht auf, sondern erhebst dich, dann gehst du nicht, sondern du schreitest.
Die Begriffe aus der deutschen Sprache deuten auf etwas hin, nämlich dass du diese Bewegungen aus einem bestimmten Bewusstseinsprozess heraus machst, du zumindest gesammelt und konzentriert bist, und diese dadurch für alle wahrnehmbar eine besondere Qualität erlangen.

Übungsanleitungen

  1. a) zum Niederlassen

Vor dem nächsten Hinsetzen entscheidest du dich (s.a. 542a), dich nicht zu setzen, sondern dich niederzulassen. Das bedeutet, dass du dich beim Niederlassen mit deinem Kraftraum (s.a. 532) oder deinem Kraftpunkt (s.a.533), in deinem Zentrum verbindest, dass du so gut es geht in dein Zentrum gehst.

Lasse dich nieder,
halte in deiner Außenaktivität inne,
nimm den Umkehrpunkt (s.a.502d) nach innen wahr
und spüre nach innen

Verhältnismäßig leicht geht das mit dem Atem.

Nimm kurz Kontakt mit deinem Atem auf,
lasse dich mit dem Atem Kontakt zum Kraftraum oder zum Kraftpunkt aufnehmen.
Und während du dich niederlässt,
zentriere dich im Kraftraum oder Kraftpunkt, so gut es geht.

Aus diesem deinen Inneren Zentrum heraus, fahre fort mit dem, was du gemacht hast, als du in den Zustand des Niederlassens gegangen bist, z.B. eine Sitzung geleitest hast.

Ich habe diese Übung zuerst im Umgang mit Managern entwickelt, damit sie sich während sie sich in einer Konferenz hinsetzen, kurz zentrieren.

  1. b) zum Erheben

Bevor du aufstehst, entscheide dich, dich stattdessen zu erheben. Das bedeutet aufzustehen, aber im Kontakt mit dem inneren Zentrum.

Nimm Kontakt mit dem Kraftraum oder mit dem Kraftpunkt, in deinem Zentrum auf, so gut es geht.

Erhebe dich.
Halte inne in der Außenaktivität
Nimm den Umkehrpunkt nach innen wahr
Spüre das Innere
Nimm Kontakt mit deinem Atem auf und stelle den Kontakt mit dem Kraftraum, mit dem Kraftpunkt her. Zentriere dich während des Erhebens.
Bleibe zentriert und handle weiter, tu das, was du zu tun hast im Kontakt mit deinem Zentrum und aus deinem Zentrum heraus, so gut und so lange es geht.

  1. c) zum Schreiten

Vor dem Gehen entscheide dich für das Schreiten, das heißt in Kontakt mit dem inneren Zentrum zu treten, in den Kontakt mit der inneren Kraft.

Schreite
Halte inne in der Außenaktivität
Nimm den Umkehrpunkt nach innen wahr, und spüre nach innen
Nimm Kontakt mit deinem Atem auf und hierdurch Kontakt mit dem Kraftraum oder dem Kraftpunkt, so gut es geht.

Bleibe während des Schreitens im Krafttraum oder im Kraftpunkt zentriert
und handle dann aus deinem Zentrum heraus.

AUDIO:
MINDMAP:

5.5.1.a Übung Niederlassen, Erheben und Schreiten